Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
waren brav wie die Schäfchen hintereinander durch eine schmale Tür in das dämmrige Halbdunkel marschiert. Kein Zöllner interessierte sich für sie, kein Polizist, einfach niemand.
Thomas Dehner hatte das schnell begriffen und war geradewegs durch eine Tür auf der anderen Seite der Halle marschiert. Er nahm das erste Taxi aus einer kurzen Reihe und nannte einfach den Namen des Hotels.
Er war todmüde und schlief bereits, kaum dass das Taxi den Flughafen verlassen hatte. In dem UNO -Flieger hatten vier ältere Damen hinter ihm von Rom bis Tripolis ununterbrochen miteinander geplaudert und gekichert. Seine Nerven hatten blank gelegen.
Vor dem Hotel weckte der Fahrer ihn. Dehner bezahlte, ging mit seiner Tasche zur Rezeption und bekam den Zimmerschlüssel 234. Er brachte sein Gepäck hinauf, nahm eine kalte Dusche, zog sich frische Kleidung an und ging hinunter in die Halle.
An der Rezeption fragte er nach Dr. Kai Dieckmann aus Deutschland und bekam die Antwort, der Herr sei leider nicht im Hause und man wisse nicht, wo er sich aufhalte. Nein, er habe keine Nachricht hinterlassen, für niemanden. Aber das Zimmer habe er noch.
Ob denn eine gewisse Shannon Ota aus Irland schon eingetroffen sei, fragte Dehner weiter.
Die junge Frau hinter der Theke nickte ein wenig gelangweilt. Sie könne sich erinnern, diese Dame gesehen und mit ihr gesprochen zu haben. Aber sie habe kein Zimmer genommen. Dann erinnerte sie sich plötzlich an etwas und lächelte: »Ach ja, sie sagte, sie gehöre zum Doctor’s Team .«
»Das ist richtig, das ist mein Team«, sagte Dehner. Er dachte: Sieh an, sie hat uns schon einen Namen gegeben. »Dann noch eine Frage: Ist Mister Arthur Schlauf noch im Haus?«
»Aber ja. Das weiß ich zufällig. Die sitzen im Restaurant. Da entlang, durch die goldene Tür.«
Also ging Dehner durch die goldene Tür.
Arthur Schlauf saß mit einer Frau an einem kleinen Tisch vor einem großen Fenster, und er machte einen überaus gut gelaunten Eindruck. Er lachte laut, während er wild gestikulierend irgendetwas erzählte. Sie aßen und tranken Wein dazu, Rotwein.
Dehner nahm an einem kleinen Tisch Platz, von dem aus er Schlauf gut sehen konnte. Von der Frau an Schlaufs Tisch sah er nur den Rücken.
Ein Kellner kam und fragte nach seinen Wünschen
»Ich hätte gern ein Steak, well done, wenn es geht mit Bratkartoffeln und etwas Speck, aber um Gottes willen keine Süßkartoffeln. Und einen trockenen Weißen. Und gibt es eine Tageszeitung?«
»Zurzeit leider nicht. Vielleicht ein Magazin, der Herr?«
»Also ein Magazin.«
Das Restaurant war fast leer. Für das Abendessen war es noch zu früh, und Dehner war dankbar, als der Kellner ein Magazin vor ihn auf den Tisch legte. »Urlaub in Libyen, Urlaub für die Seele« war der arabische Titel. Dehner musste grinsen.
Ein Mann kam von irgendwoher auf seinen Tisch zu und setzte sich auf den zweiten Stuhl. Er war ungefähr vierzig Jahre alt, ein schmaler, dunkler Typ, drahtig, mit auffallend hellblauen Augen. Er trug ein einfaches rot kariertes Hemd zu Jeans, darüber eine braune Cordweste. Der Mann wirkte auf Dehner seltsam vertraut.
»Ich soll dich von Beta grüßen, Bruder«, sagte er leise auf Englisch und hielt dabei seinen Kopf gesenkt. »Er rief mich vor ein paar Minuten an. Mein Name ist Moshe Jugo aus Tel Aviv. Ich weiß, dass du Max suchst, ich weiß auch, dass du Miri suchst. Ich soll helfen, wenn du Hilfe brauchst.«
Dehner bedachte das für einige Sekunden lächelnd. Beta hieß Esser, Max war Müller, Miri war Svenja. Er erwiderte: »Das könnte wirklich hilfreich sein. Sie sind beide von der Leine, und wir haben keine Ahnung, wo sie jetzt sind. Hast du eine Ahnung?«
»Ich habe null Ahnung. Man müsste wissen, wo Max zuletzt geortet wurde«, sagte der Mann.
»Das weiß ich. Er war zuletzt in Onkel Tobruks Haus, für uns eine Quelle, ein General unter Gaddafi.«
»Lebt dieser General noch?«, fragte Moshe.
»O ja, und wie. Wir sollen ihm sogar ein Flugzeug schicken. Er hat Max, verstehst du? Und Miri jagt beide.«
»Das ist ein Scheißspiel.« Der Israeli lächelte.
»Na ja, wir haben es uns nicht ausgesucht.«
»Dann wissen wir ja, wo wir suchen müssen«, sagte Moshe Jugo.
»Wie bitte?« Dehner war irritiert.
In diesem Moment stand die Frau an Arthur Schlaufs Tisch auf, legte die Serviette neben ihren Teller, wandte sich um und ging quer durch den Raum auf eine Tür zu, auf der WC stand.
»Lieber Himmel!«, flüsterte Dehner. Dann hatte
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