Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
was ist? Kann ich dich überreden, in die Villa zu gehen und nach meinem Vater zu suchen?«, fragte Tobruk, der an der Rückwand des Raumes auf einem hohen Hocker saß und einen Tomatensaft trank.
»Das mache ich nicht, Sir«, antwortete Cooper, ein dünner, blonder Texaner, trocken. »Um Ihren Vater müssen Sie sich schon selbst kümmern, Sir. Das ist nicht mein Arbeitsbereich.«
Zwei der Männer links von Müller lachten ungeniert über Coopers Antwort und fummelten an den Maschinenpistolen herum, die sie auf den Knien liegen hatten.
»Red, was ist mit dir?«, fragte Onkel Tobruk.
»Cooper hat recht, Sir.« Red war ein schmaler, rothaariger Mann mit einem verschlagenen Gesicht, das vollkommen von Sommersprossen bedeckt war. »Ihr Vater wollte nachkommen, Sir, jetzt ist er weg. Das ist Sache Ihres Vaters, nicht wahr? Vielleicht will er auch gar nicht mitkommen nach Beirut. Das weiß ich nicht. Und außerdem ist es besser, wenn wir alle zusammenbleiben, nicht wahr, Sir?«
Die Stimmung war schlecht, voller Misstrauen.
Sie hatten Müller einfache beigefarbene Hosen angezogen, die ihm viel zu kurz waren. Dazu weiße Socken mit einem Paar einfacher Sportschuhe. Darüber ein T-Shirt, weiß mit rotem NIKE -Zeichen. Er fühlte sich unwohl in seiner Rolle als Garantiekarte für Onkel Tobruk. Er konnte einfach nichts unternehmen, er wusste nicht einmal, ob das linke Bein sein Gewicht tragen würde. Wahrscheinlich nicht.
»Wenn Sie mir jetzt fünftausend Dollar geben, Sir, nehme ich ein Taxi und schaue nach, was Ihr Vater macht. Vielleicht sehe ich ihn, vielleicht kann ich ihn überreden hierherzukommen.« Der Mann, der das sagte, wollte nicht ernst genommen werden, sein schiefer Mund verriet reinen Hohn.
»Mein Geld ist in Beirut, das wisst ihr doch«, antwortete Onkel Tobruk. »Ihr könnt mir vertrauen, Leute, ihr kriegt euer Geld, alles, Mann für Mann. Ich habe immer für euch gesorgt.«
Müller war unsicher. Er wusste, dass zwei Leute unter den Amerikanern waren, die notfalls auf seiner Seite standen. Das war zum einen ein Farbiger, der erwähnt hatte, er sei aus Milwaukee, und zum anderen ein muskulöser Schwarzhaariger, ein stämmig gebauter Mann mit katzenartigen Bewegungen. Müller hatte sie angesehen und bemerkt, dass sie so etwas wie Verständnis für seine Lage signalisierten. Sie hatten alle begriffen, dass er eine Geisel war, aber sie hatten sich herausgehalten. Sie wollten ihr Geld, sonst nichts.
»Gibt es vielleicht eine Hausapotheke mit Aspirin oder so was Ähnlichem?«, fragte Müller.
»Ich glaube nicht«, sagte Onkel Tobruk und trank einen Schluck von seinem Tomatensaft.
»Ihr Vater war wesentlich höflicher«, stellte Müller fest.
»Er hat seinem Sohn nicht alles beigebracht«, sagte Onkel Tobruk und lachte breit, als habe er einen guten Witz gemacht.
»Sie sind ein verdammtes Arschloch!«, sagte Müller heftig. »Ich weiß, dass Sie einer Frau die Schultergelenke ausgehebelt haben und sie dann einfach sterben ließen.«
»Das stimmt nicht«, sagte der General scharf.
»Es ist aber bei uns dokumentiert«, widersprach Müller. »Wahrscheinlich auch bei der CIA , wenn mich nicht alles täuscht.«
Onkel Tobruk ließ sich von seinem Hocker gleiten und ging gemächlich an all den Ledersesseln vorbei, auf denen seine Leibgarde saß. Er lächelte sie alle an. Er war ein großer, stolzer, etwas untersetzter Mann mit dunklen Augen und einem dichten schwarzen Schnurrbart, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Saddam Hussein hatte.
»Wir sind bald unterwegs, Leute, wir sind bald in Beirut, und dann können wir die Freuden des Lebens genießen.«
Er kam an Müllers linker Seite vorbei, neigte sich leicht über ihn, sein Gesicht verzog sich zu scharfen Linien, und er schlug mit der rechten Handkante hart auf Müllers linken Oberschenkel.
Müller schrie auf, schnappte verzweifelt nach Luft und wurde augenblicklich ohnmächtig.
»Das war nicht fair«, sagte der Mann, der Red hieß, vorwurfsvoll in die Stille. »Er kann sich doch nicht wehren, der ist doch hilflos, der war schon verwundet. Was machen Sie denn da, Sir?«
»Er sagt Dinge, die nicht stimmen«, behauptete Onkel Tobruk wütend.
»Aber einen Hilflosen schlägt man nicht, Sir.«
Müller kam langsam zu sich, starrte mit verkrampftem Gesicht auf seinen linken Oberschenkel und sah zu, wie die aufgerissene Wunde die Hose durchblutete.
Krause fasste seinen Entschluss um zwei Uhr dreißig.
Er sagte: »Tobruk will einen Flieger. Dann geben wir
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