Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
Position vier, Müller auf sechs«, sagte Dehner zu Svenja. »Und tu mir den Gefallen und schieß nicht.«
»Einverstanden«, sagte Svenja.
In diesem Augenblick flammten die Lichtmasten vor dem Gebäude B1 auf. Es war ein grelles, unbarmherziges Licht, an das man sich erst einige Sekunden gewöhnen musste.
Dehner hatte eine Verbindung zu Moshe Jugo, der auf der anderen Seite des Gebäudes stand. »Position vier«, sagte Dehner. »Angriff, wenn Position eins am Einstieg in die Maschine ist. Abstand fünf Meter.«
»Okay«, sagte Jugo. »Keine Probleme hier.«
Dann hörten sie Motorengeräusch, das sehr schnell sehr laut wurde. Eine Maschine tauchte in den grellen Schein der Lichtfluter. Sie war weiß und blau lackiert, eine zweimotorige Turbopropmaschine des Herstellers Fokker, ausgelegt auf achtzehn Passagiere, Reichweite dreitausend Kilometer. Im Cockpit brannte Licht, ebenso im Passagierraum.
»Dann wollen wir mal«, sagte Onkel Tobruk mit breitem Grinsen.
»Moment, Chef«, sagte Blossom gelassen. »Das überlassen Sie wie immer mir, wenn es recht ist. Davon haben Sie keine Ahnung, das müssen wir übernehmen. Red, du legst mir den Verwundeten auf die Schulter, Sam kann dir dabei helfen. Sie gehen an Position vier, General. Libby, du bist der Erste, dann folgen Cruzer und Cooper. Dann kommt der Chef. Ich gehe auf der Sechs, und ich wünsche uns einen ruhigen Flug. Hat jeder sein Gepäck?« Das klang sehr bestimmt, und der General konnte sich wie immer darauf verlassen, dass sie ihr Bestes gaben.
Onkel Tobruk schob den Schlüssel in die Tür nach draußen und schloss auf. Ein wohltuender Schwall frischer Luft drang herein. Tobruk trat beiseite und ließ die ersten drei Männer passieren. Dann folgte er selbst.
Für Blossom war es ziemlich schwierig, denn Müller war ein durchtrainierter, eins achtzig großer Mann. Blossom keuchte verhalten, als Müller mit dem Bauch auf seine Schulter gelegt wurde.
»Tut mir leid«, flüsterte Müller.
»Lass gut sein, Bruder«, gab Blossom zurück. »Nur noch ein paar Sekunden, dann hast du es hinter dir.« Dann ging er los.
Libby war der Erste. Als er den kleinen Auftritt zur Maschine erreichte, sagte Dehner: »Start!«
Sie kamen von schräg hinten, und sie rannten, so schnell sie konnten. Tobruk wandte sich leicht nach links, begriff das Manöver aber nicht, sah nur die ungeheuer schnelle Bewegung von Dehner, der direkt auf ihn zulief und noch im Laufen schoss. Moshe Jugo sah die Amerikaner scheinbar leblos zu Boden sinken und schoss selbst, als er noch ungefähr zehn Meter von Tobruk entfernt war. Er war ein sehr sicherer Schütze.
Svenja rannte mit entsicherter Waffe neben Dehner her, und sie schrie, als sie Tobruk fallen sah. Dann war sie bei Blossom und Müller und heulte Rotz und Wasser vor Erleichterung.
»Und was ist jetzt mit der Maschine?«, fragte jemand von den Bodyguards etwas verunsichert.
»Die hat ein defektes Fahrwerk, undichte Spritleitungen und ein Höhenruder, das demnächst allein segelt«, antwortete irgendjemand aus dem Flugzeug. »Fliegen kannst du mit der wirklich nicht, es sei denn, du willst ganz schnell sterben.«
ZEHNTES KAPITEL
»Wie geht es dir?«, fragte Dehner.
»Hervorragend«, antwortete Müller mit verkniffenem Gesicht. »Danke für euren Einsatz, ich werde meinen Enkeln viel zu erzählen haben.«
Müller lag über zwei Sitze ausgestreckt im Fond des kleinen Transporters. Neben ihm hockte Svenja, hielt seinen Kopf und fragte alle zweihundert Meter: »Kannst du es noch aushalten?«
»Es war eine gut getimte Sache«, lobte der Israeli. »Friede seiner Asche!«
»Du hast nicht gefeuert?«, fragte Dehner misstrauisch.
»Habe ich nicht«, antwortete Svenja. Dann hielt sie Müller die Breitling vor die Nase. »Danke für die Botschaft.«
»Ich konnte wenig tun«, bemerkte er. »Wer hat sich das Ding denn einfallen lassen?«
»Krause natürlich«, sagte Dehner. »Da vorn ist die Klinik. Dort stehen Taxis. Wir zwei reisen weiter. Bis demnächst im Hotel.«
»Danke«, wiederholte Müller. »Dank an König David.«
»Selbstverständlich«, bemerkte der Israeli. »Wenn ihr mal Bedarf an freien Mitarbeitern habt, sagt mir Bescheid. Ach ja, ich habe gegen Mittag eine Maschine. War mir eine Ehre. Shalom!«
Es gab ein Durcheinander, weil nicht klar war, welcher der Klinikärzte in diesem Fall zuständig war. Müller wurde auf eine Liege gepackt und von einem energisch aussehenden bärtigen Mann in einen halbdunklen Korridor gefahren
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