Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
darauf verlassen, dass wir die Schlösser knacken, da braucht nur jemand Wache zu stehen, schon haben sie uns. Was machen wir also?« Der Israeli fuhr mit dem rechten Zeigefinger über seinen Nasenrücken und fuhr fort: »Wir haben keine gute Ausgangssituation. Und wir können nicht warten, bis sie zur Maschine gehen.«
»Nicht so schnell«, wandte Dehner ein. »So, wie ich meine Vorgesetzten kenne, werden die schon länger über das Problem nachgedacht haben, und wahrscheinlich kommen sie in der Nacht mit einem Vorschlag. Oder wir werden zurückgepfiffen, die Maschine hebt ab, und wir können nach Hause gehen.«
»Was ist mit Kellerschächten?«, fragte Svenja.
»Da haben wir zwei«, sagte Dehner. »Beide auf der Seite zu diesem Hauptgebäude hin. Die Frage ist nur, ob ein Einstieg sinnvoll ist. Wir kennen die Situation im Inneren des Gebäudes nicht, wir können also nicht damit rechnen, dass die Türen offen stehen. Ich denke eher, sie werden verschlossen sein, weil Onkel Tobruk kein Risiko eingehen wird. Galina hat zugegeben, dass er alle Schlüssel zu dem Komplex B1 rausgerückt hat.«
Sie saßen um den Schreibtisch herum, an dem vorher Galina gesessen hatte. Galina selbst hatten sie, mit Stricken gefesselt, auf seinen Schlafplatz im Raum nebenan verbannt. Hatten ihm eine Unmenge Schokoriegel aus seinem eigenen Vorrat überlassen und ihn mit wüsten Drohungen eingeschüchtert. Er hatte versprochen, still zu sein, nicht zu schreien und sich leise bemerkbar zu machen, falls so etwas wie Verdauung in jeglicher Form drohte. Damit sie nicht von ihm gestört wurden, hatten sie den Taxifahrer Ali auf einem Stuhl vor ihrem Gefangenen platziert und ihn gebeten, Galina im Auge zu behalten.
»Vielleicht sollten wir etwas mit den Kellerschächten versuchen«, sagte Svenja.
Dehner griff zu seinem Handy und sagte: »Ja?« Dann stand er auf und ging hinaus auf den Korridor.
»Wir wissen inzwischen«, sagte Sowinski hastig, »dass Tobruk seiner Leibgarde viel Geld schuldet. Er hat kaum Möglichkeiten, an Bargeld zu kommen. Die meisten Konten seiner Familie sind eingefroren, sowohl in Europa wie in den Staaten. Er hat seiner Leibgarde versprochen, sie in Beirut zu bezahlen, es geht um knapp hunderttausend Dollar. Die Zahlung wird bezweifelt, weil er dort keine Bankverbindung hat. Sein Vater ist ihm in Tripolis abhandengekommen, und er will ihn wiederhaben. Angeblich war der Alte mit brisanten Unterlagen unterwegs. Das sollten wir sehr ernst nehmen, denn Onkel Tobruk ist ein Familientier. Wie ist die Situation bei dir?«
Dehner beschrieb sie schnell, dann sagte er: »Wir können hier nur wenig tun, sitzen im Airport herum und fragen uns, wie wir an Tobruk herankommen. Wir haben gleich Mitternacht, wegen der NATO -Jets ruht der zivile Flugverkehr. Wir denken, dass sie Sirte bombardieren, um Gaddafi weichzuklopfen. Militärisch ist hier nichts los. Die zivile Fliegerei ist erst ab drei Uhr morgens wieder möglich. Wird der Flieger für Tobruk kommen?«
»Wir denken ja, aber wir sehen große Risiken, weil alle Beteiligten mehr als nervös sind. Ruf mich an, wenn es irgendetwas Neues gibt. Wir denken, dass Onkel Tobruk wahrscheinlich zwischen alle Fronten gerät und nervös wird. Das macht die Situation für Müller verdammt heikel. Und jetzt gebe ich dir eine Nummer, mit der du einen der Bodyguards erreichen kannst. Aber sei vorsichtig, du weißt nicht, ob der Mann sprechen kann.« Er diktierte die Nummer.
»Ich melde mich, wenn es etwas Neues gibt«, versprach Dehner. Dann ging er zurück zu Svenja und dem Israeli.
»Die Situation spitzt sich zu«, erklärte er. »Tobruk sucht seinen Vater, der ihm irgendwie abhandengekommen ist. Er schuldet seinen Bodyguards einen Haufen Geld und behauptet, dass er ihnen das in Beirut geben kann. Daran wird gezweifelt.«
»Sein Vater ist tot«, sagte Svenja in die Stille. »Er wollte Ali erschießen, da habe ich eine Pirouette gedreht und ihn am Kopf erwischt. Das war in der Villa, in der Tobruk und seine Leute sich versteckt hielten und auf die Möglichkeit warteten, hierher auf den Airport zu kommen.«
»Klasse!«, sagte Dehner. »Genau das hat uns noch gefehlt.«
»Es war unvermeidlich. Das diskutiere ich nicht mit dir, das regele ich mit meinen Vorgesetzten.«
»Angeblich hatte der Alte brisante Unterlagen bei sich.« Dehner starrte Svenja an, als sei sie seine Feindin, und hatte Mühe, sich zu beherrschen.
»Das ist richtig«, bestätigte Svenja ruhig. »Er hatte wichtige
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