Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
und dort einfach stehen lassen.
Svenja irrte durch die Gänge der Klinik und heftete sich dann einem Mann an die Fersen, der einen hellen Kittel trug. Der Mann war sehr verwundert, konnte oder wollte nicht antworten, bis sich herausstellte, dass er ein Patient war, der sich verlaufen hatte und nicht mehr wusste, wo sein Bett stand. Schließlich fand sie in der Notaufnahme einen Farbigen, der fragte: »German? Are you German?«
»Yes«, antwortete Svenja erleichtert. »And you? Are you a doctor?«
»Ja, klar«, antwortete der Mann freundlich. »Ärzte ohne Grenzen. Doktor Mtobo, frisch aus München. Wen haben Sie mir gebracht?«
»Meinen Mann«, antwortete Svenja tapfer. »Schwere Schusswunde am Oberschenkel links. Ist wieder aufgerissen.«
»Spielt jetzt etwa auch Deutschland in diesem Irrenhaus mit?«
»Nicht dass ich wüsste!«
»Und wo ist die Schusswunde?«, fragte Mtobo.
»Ach, du lieber Gott, ja, wo ist er denn? Irgendwo da hinten um die Ecke haben sie ihn stehen lassen.«
»Dann schauen wir mal. Ich sage Ihnen gleich: Wir haben kaum noch Medikamente hier, wir können nicht richtig ruhigstellen, wir können den Kreislauf nicht mehr anregen, wir können eigentlich überhaupt nichts mehr. Wir operieren nur noch Notfälle, und die meisten ohne Betäubung. Und ich habe seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen. Und wie hat sich Ihr Mann die Kugel eingefangen?«
»Er stand zufällig im Weg«, behauptete Svenja.
Zwei Stunden später humpelte Müller mühsam an Krücken aus dem Krankenhaus und hatte Schwierigkeiten, sich in einem Taxi auf die notwendige Größe zusammenzufalten und transportieren zu lassen. Er keuchte vor Schmerzen, hatte aber dank Doktor Mtobo ein einigermaßen hilfreiches Schmerzmittel in der Tasche.
Im Hotel gingen sie in Müllers Zimmer und legten sich nebeneinander auf das Bett, sorgsam getrennt und ein wenig hilflos.
»Ich danke dir«, murmelte Müller in die Stille. »Es war eine beschissene, trostlose Zeit.«
»Das kriegen wir wieder hin, alles wird gut«, flüsterte sie.
»Meinst du, du könntest mich mal in den Arm nehmen?«, sagte er gegen die Zimmerdecke.
»Das kann ich ganz sicher.«
Dehner schlief knapp zwei Stunden, dann duschte er abwechselnd heiß und eiskalt und hatte immer noch das Gefühl, nach dem Qualm seiner Waffe zu riechen. Er hasste es, Menschen zu töten, obwohl er wusste, dass das nach Ansicht des Dienstes zuweilen unvermeidlich war.
Er telefonierte mit Esser. »Antrag an das Mutterschiff: Ich wäre dankbar, wenn wir in naher Zukunft einen Flieger bekommen könnten. Tripolis ist nicht wirklich ein angenehmer Ferienort.«
»Wir tun, was wir können«, kam die Antwort. »Wie sieht es denn mit Müller aus?«
»Tobruk hat die Wunde mit einem Handkantenschlag wieder aufgerissen. Müller wird mit Sicherheit ein paar Tage Ruhe brauchen. Gibt es noch irgendetwas, das mit Atze zu besprechen ist? Ich treffe ihn gleich.«
»Im Moment nicht. Versuchen Sie aber unbedingt heraus zufinden, wann er wieder in Deutschland ist, um seinen Vater zu besuchen. Wir haben wichtige Fragen an ihn. Ich habe Ihre Memos aus Tirana gelesen und wüsste gern, was aus dieser seltsamen Frau geworden ist, die bei Atze in Tobruk sein soll. Wir müssen wissen, wer sie ist, woher sie kommt und was sie mit eintausend Kilo C4 anrichten will.«
»Ich werde versuchen, es rauszufinden«, sagte Dehner. »Wir wissen ja nicht einmal, wie sie wirklich heißt und woher sie kommt. Wir haben nur die dubiosen Angaben eines albanischen Informanten, dass sie sich Britt Sauwer nennt, angeblich einunddreißig Jahre alt ist und aus Stockholm stammt.«
»Das ist schon weitgehend abgeklärt: Goldhändchens Abteilung hat recherchiert. Der Name ist wohl falsch, das Alter vielleicht auch. Schwedin ist sie auf keinen Fall, und mit Stockholm hatte sie nie etwas zu tun.«
»Wie schön«, sagte Dehner trocken. »Mein Kompliment an Goldhändchen. Ich werde ihn weiterempfehlen.«
Dann bat er die Rezeption, ihn mit der neuen Verwaltung der Rebellen zu verbinden.
Als die Verbindung zustande kam, sagte er auf Arabisch: »Ich möchte die Brüder der Rebellen darüber informieren, dass ich einen Toten entdeckt habe. Er liegt in einem verborgenen Keller unter der Villa des Generals, den wir als Onkel Tobruk kannten.«
»Wie bitte?«, fragte ein Mann, sofort hell aufgeregt.
»Nur das, mehr nicht«, sagte Dehner und unterbrach die Verbindung.
Er verzichtete auf den Lift, lief stattdessen die Treppen hinunter, denn er
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