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Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Grenzgängerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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deutlichen Hang zur Seelenkälte.«
    »Haben wir den toten Tobruk eigentlich gemeldet?«, fragte sie.
    »Ja. Dehner hat noch in der Nacht einen anonymen Anruf getätigt.«
    Sie zog sich mit schnellen Bewegungen aus. »Ich brauche Wasser. Und dann bist du dran.«
    Müller schloss die Augen und fühlte eine wohlige Gelassenheit in sich aufsteigen. Er war zu Hause.
    Dann stand Svenja plötzlich nackt vor dem Bett und erklärte mit verschränkten Armen: »Ich habe vergessen, dir etwas zu sagen. Nein, ich habe es nicht wirklich vergessen, nur vor mir hergeschoben. Und es war bisher auch kein Platz dafür.« Sie hielt den Blick gesenkt, sah ihn nicht an. »Bevor ich zu dir geflogen bin, habe ich in deiner Wohnung auf Goldhändchens Weisung hin nach eventuell vergessenen Handys gesucht. Bei der Gelegenheit habe ich auch die Post für dich durchgesehen. Da lag ein Zettel von einem gewissen Toni. Deiner Mutter geht es sehr schlecht. Das tut mir furchtbar leid.« Dann verschwand sie für Sekunden im Bad, kam mit einem roten, seidenen Morgenrock wieder und schlug ihn um sich, als wäre ihr kalt.
    »Meine Mutter«, sagte Müller leise. Sein Gesicht war voller harter Kanten.
    Es dauerte sehr lange, bis sie zu fragen wagte: »Kannst du diesen Toni telefonisch erreichen?«
    Müller nickte. Dann drehte er sich mühevoll auf den Bauch, legte den Kopf auf die Arme und schloss die Augen. Nach einer kurzen Weile sah Svenja, dass er lautlos weinte.
    »Soll ich ihn für dich anrufen? Vielleicht geht es ihr ja inzwischen wieder besser.« Sie klang hilflos.
    Müller drosch mit der rechten Hand mehrmals hintereinander auf das Kissen ein, es waren dumpfe Laute, als verprügele er einen Menschen.
    Svenja setzte sich zu ihm auf das Bett. Er rückte an sie heran und bettete seinen Kopf in ihren Schoß. Mit rauer Stimme begann er zu sprechen: »Es ist verrückt, dieser Job ist verrückt. Du erledigst etwas, wovon die meisten Menschen nicht die geringste Ahnung haben. Und dann heißt es plötzlich: Deine Mutter stirbt! Und du stellst fest, dass in deinem Leben gar kein Platz für eine Mutter war. Na, sagte sie immer, bist du mal wieder für Vater Staat unterwegs? Genaues wollte sie lieber gar nicht wissen. Sie hatte keine Ahnung, was ich machte. Sie wurschtelte sich fröhlich durch ihr elendes Hausfrauendasein. Nur manchmal hatte sie die Schnauze voll. Dann saß sie in der Küche auf einem Hocker und starrte vor sich hin. Ab und an weinte sie sogar, aber meistens schaute sie nur ins Leere und sagte kein Wort. Und ich, das einzige Kind, traute mich nicht, sie zu fragen. Mein Vater sagte dann immer: Jeder hat so seine Tage. Und das war es dann. Ich habe gerade gedacht: Was sage ich denn einem Pfarrer, der meine Mutter zu Grabe tragen will? Was sage ich dem? Wer war diese Frau? Das Bescheuerte ist, dass ich überhaupt nichts von ihr weiß.« Plötzlich lächelte er. »Doch, eine Geschichte habe ich mitgekriegt. Nach dem Tod meines Vaters ließ sie sich auf Rügen von einem Heiratsschwindler anmachen und sagte mir am Telefon glucksend wie ein junges Mädchen: Wir sind so glücklich miteinander! Das Glück von ein paar Tagen kostete sie um die Zwanzigtausend aus einem Bausparvertrag, und sie hat mir nie gesagt, ob es ihr leidgetan hat. Hoffentlich hat sie es genossen.«
    »Rufen wir diesen Toni jetzt an?«, fragte Svenja und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    »Ja, das machen wir. Ihm gehört ein Altenheim. Hier in Berlin. Er ist Jude, wenn ich mich richtig erinnere. Und er hatte katholische Nonnen zur Pflege angestellt, das weiß ich noch, weil ich mich darüber gewundert habe.«
    Svenja hatte ihr iPhone in der Hand, begann darauf herumzutippen und sagte: »Habe ich schon, Moment noch. Hier.«
    Als die Rezeption des Altenheims sich meldete, fragte Müller nach Toni.
    »Ja?«, erklang eine männliche Stimme kurz darauf.
    »Hier ist Karl«, sagte Müller. »Wie geht es meiner Mutter?«
    »Es geht ihr wieder besser im Moment. Sie ist hier bei mir«, sagte Toni. »Dieser ganze Prozess verläuft in Wellen, weißt du. Bist du eigentlich in Berlin?«
    »Ja, bin ich. Seit ein paar Stunden. Ist sie denn ansprechbar?«
    »Im Augenblick ja. Hellwach. Und sie fragt nach dir. Soll ich dich irgendwo abholen?«
    »Ich brauche noch eine Stunde, ich hab was am Bein.«
    »Was Ernstes?«
    »Nein, nicht so schlimm. Bald wieder in Ordnung. Ich gebe dir mal die Adresse …«
    »Das ist ein netter Kerl«, sagte Müller, nachdem er aufgelegt hatte. »Ein älterer

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