Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
aufgeklappt und eingeschaltet wurde. Alle diese flachen Wunderdinger waren fabrikneu und enthielten absolut nichts. »Nur dann können wir bekanntlich nichts falsch machen«, hatte Goldhändchen gesagt und im Übrigen angemerkt, dass diese Wundergeräte zu nichts anderem verwendet werden würden als einzig zu diesem speziellen Auftrag. Danach hatten sie die Laptops wieder abzuliefern.
»Normalerweise versuchen wir, auf Menschen zu treffen, die uns mit irgendetwas dienlich sein können, mit Fakten, mit Zusammenhängen, mit neuen Lagen, wie wir das nennen, mit Hintergründen. Wir brauchen ein klares Bild der Welt hinter der Welt. Diesmal, meine Lieben, wird es vollkommen anders sein. Diesmal werden wir versuchen, den BND scheinbar durchsichtig zu machen. Wir werden eine derart dicke Suppe an Gerüchten verbreiten, dass die Internetwelt sich verblüfft fragen muss, ob sie das träumt oder ob das tatsächlich die Wahrheit ist.
Ihr lebt in dieser Stadt, die ein ständiger dicker Brei von Gerüchten ist. Und diese ekelhaften, an jedem Tag auftauchenden neuen Fragen: Ist dieser oder jener tatsächlich schwul und schläft mit seinem Fahrer? Stimmt es, dass dieser Bundestagsabgeordnete monatlich viele Tausende dafür kassiert, dass er einen Industriellen und dessen Produkte vertritt und gleichzeitig behauptet, er kenne diesen Mann gar nicht? Ist diese Frau, die so edel und hilfreich im Dienst der Menschheit lebt, tatsächlich eine Lesbe, die mindestens einmal im Monat eine wilde Orgie steigen lässt? Und ist dieser Bundespräsident tatsächlich so dumm, wie er sich verhält? Ja, ja, ich weiß, ich langweile euch schon. Alles, was ich erwähnte, ist für euch Pipifax, kein Nachdenken wert. Aber Vorsicht! Denn wir werden alle diese Spießer besuchen und ihre Spielchen mitspielen.
Wir werden eine Menge von erstklassigen Gerüchten kreieren. Um ein einzelnes Schwein oder eine ganze Interessentengruppe zu entlarven, die es riskiert hat, unseren Dienst zu unterwandern. Ihr werdet ständig in fremden Rechnern unterwegs sein, dabei werdet ihr euch niemals zu erkennen geben, ihr werdet also niemals zu identifizieren sein.«
Zu diesem Zeitpunkt drückten die meisten von ihnen schon ihre Mentholzigarette aus. Sie hatten nicht einmal daran gezogen.
»Jetzt guckt nicht so verdattert, meine Lieben, das ist mein voller Ernst. Ihr seid doch alle super Programmierer, also werdet ihr hier mal zeigen können, was ihr wirklich draufhabt. Dies ist die erste Arbeitsstunde einer wirklich großen Aufgabe.
Ich nenne euch ein paar Begriffe, die in den kommenden Tagen für eure Arbeit wichtig sind: das private Umfeld der Kanzlerin im Bereich ihrer Eltern und im Bereich der evangelischen Kirchengemeinde ihres Vaters. Das gesamte Bundeskanzleramt natürlich auch. Dann ein Mann namens Arthur Schlauf, Kaufmann. Herbert Nieswandt, BND . Madeleine Wagner, wahrscheinlich Braunschweig, wahrscheinlich dreißig Jahre alt. Die Staatsanwaltschaften zur Aufklärung von Steuerdelikten im Regierungsbereich Potsdam, hier die Steuerfahndung, besonders Buchstabe S, eine Steuernummer reiche ich nach.«
Ihre Finger glitten lautlos über die Tasten, sie schrieben die Namen mit, sie schrieben alles mit, was ihr Herr und Meister sagte.
»Und das sind die Gerüchte, die möglicherweise über diesen Dienst im Umlauf sind: selbstherrliches Gebaren der Operationsleitung seit Jahrzehnten. Duldung von gefährlichen Liebschaften innerhalb der Gruppe der Außenagenten. Schwule Agenten, die gefördert werden. Das völlige Verschleiern von schweren Niederlagen der Agenten bei Auslandseinsätzen. Und hier noch ein besonders apartes Gerücht: Der BND arbeitet im Ausland mit Managern und Kaufleuten zusammen, die Deutschland wegen hoher Steuerschulden verlassen haben oder aber von deutschen Staatsanwaltschaften wegen Steuerhinterziehung gesucht werden. Das könnte man dann als Zusammenarbeit mit Gaunern und Gangstern bezeichnen. Und noch etwas: die ständige Arbeit des BND in der Bundesrepublik Deutschland, obwohl gesetzlich untersagt. Jetzt kommt euer absoluter Zielpunkt: Er lautet AX (d). Unter diesem Kürzel lief in unserem Rechnungswesen ein sehr guter Informant. Eigentlich darf dieses Kürzel niemand haben, aber irgendjemand hat es herausgefunden. Setzt also bei unserem Rechnungswesen an, nehmt die Leute auseinander. Ich will alles über sie haben, auch die Farbe ihrer Lokusbrille.«
Jetzt starrten ihn alle an, sie waren wirklich verblüfft, und ihre irritierten Gesichter
Weitere Kostenlose Bücher