Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
»Übertreib es bitte nicht.«
»Guten Tag, Herr Doktor.« Der Fahrer strahlte und hielt den Wagenschlag auf.
Es war alles wie immer.
Gillian hatte den kleinen Konferenzraum hergerichtet, hatte Kaffee und Tee bereitgestellt, Wasser und Fruchtsäfte, Gebäck. Sie hatte dafür gesorgt, dass jedes Gespräch aufgezeichnet werden konnte. Aber niemand musste Sorge haben, dass irgendwer diese Aufzeichnungen jemals anhören würde. Es gab einfach zu viele, und Gillian hatte einmal in einer fast privaten Situation gestanden, dass sie zwar für die Aufzeichnungen verantwortlich war, aber nicht die geringste Ahnung hatte, wo sie nachzuschauen hätte, wenn jemand sich tatsächlich etwas Bestimmtes noch einmal anhören wollte. »Das kann niemand mehr kontrollieren, und ich habe die verdammte Pflicht, alles zu protokollieren und aufzuzeichnen, hassen gelernt. Ich müsste endlose Listen führen. Kein Mensch braucht das, aber alle tun so.«
Krause hatte dazu genickt und gewusst, dass sie recht hatte.
Esser und Sowinski kamen hinzu, sahen elend überarbeitet aus und sagten, die Sache werde hoffentlich kurz und schmerzlos sein, denn im Grunde sei Gregor von der CIA eine nicht geplante Zugabe, die sie kaum verkraften könnten.
»Seid bitte nur höflich«, mahnte Krause.
»Das werden wir!«, versicherte Esser.
Als Gregor schließlich kam, begrüßten ihn alle ausgesprochen freundlich.
Gillian führte das Sonderkommando an. Ihr folgte auf dem Fuß eine Dame namens Marion Hertlein, die im Namen des Präsidenten erklären durfte, er fühle sich geehrt, sei aber leider zurzeit unabkömmlich und deshalb untröstlich, wovon wahrscheinlich kein Wort der Wahrheit entsprach.
Gregor löste sich aus dem Bann offiziell geflüsterter Worte und eilte stracks auf Krause zu, um ihn kräftig an den Armen zu packen und leicht zu schütteln. »He, alter Junge, wie geht es dir denn so?«, fragte er lächelnd.
»Gut. Und wie sieht es bei dir aus?«
»Nicht so besonders«, antwortete der Amerikaner. »Du weißt schon: zunächst Medikamente gegen alles Mögliche, dann Medikamente für den Magen, der den Scheiß nicht verträgt, und dann Medikamente für den Darm, damit der es wegschafft, aber dann leicht unsaubere Nierenwerte und Vergiftungen der Leber. Was immer wir schlucken, mein Freund, es hält uns in Bewegung, wir traben von Diagnose zu Diagnose.«
Sie lachten beide herzlich, am lautesten Krause, weil er überhaupt keine Medikamente nahm.
»Du hast keine Zeit, ich weiß. Das hier sind meine besten Jungs, Esser und Sowinski, beide vorlaut, aber gut. Sie haben hart gearbeitet, damit wir dir die Tasche da schenken können. Und was hast du für mich?«
»Diese Tasche hier. Es sind die Akten der zuständigen Mordspezialisten, sofern man da von Spezialisten sprechen kann. Farbaufnahmen von hübschen Hälsen, die nichts gegen eine Gitarrensaite ausrichten konnten. Ich brauche nur eine Unterschrift von dir. Und noch etwas: Ich habe meinen Botschafter hier kontaktiert. Er hat ein Gästezimmer für mich und garantiert mir die nächsten zwölf bis vierzehn Stunden komplette Ungestörtheit. Und weil meine Leute davon keine Ahnung haben, bin ich vogelfrei.«
Mit diesen Worten nahm er den Koffer mit den Unterlagen, stellte ihn noch einmal kurz ab, leistete im Stehen eine Unterschrift, wartete auf Krauses Unterschrift, nickte allen noch einmal begeistert zu, hob die Hand und war zur Tür hinaus, ehe sie reagieren konnten.
»Der ist richtig gut«, sagte Esser bewundernd. »Ich gehe jetzt ohne eure Genehmigung ein paar Stunden schlafen.«
»Ich folge«, bemerkte Sowinski und sagte vertraulich zu Krause: »Du hast noch eine halbe Stunde bis zu deiner vollständigen Vernichtung.«
»Freu dich nicht zu früh«, sagte der.
Er ging mit Gillian hinunter in sein Büro, setzte sich in seinen Schreibtischsessel. »Hier zu arbeiten ist eigentlich luxuriöser als daheim.«
»Sie sollten bald zurückkommen«, sagte sie. »Wenn diese Unsicherheiten aus der Welt sind, sitzen Sie wieder hier, und alles geht seinen guten Weg.«
»Was sagt man denn so beim Kantinenklatsch?«
»Nicht viel. Es herrscht Unruhe, das ist klar, und das schadet. Aber mir haben unsere Rechner etwas gesagt. Dass ein gewisser Tobias Hundt aus dem Rechnungswesen sich wahrscheinlich bei irgendwem lieb Kind machen wollte und etwas gesagt haben könnte, was die Irritationen auslöste. Ich meine, das berühmte AX (d) für Arthur Schlauf. Es war jedoch ziemlich einfach, man musste nur genau
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