Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
Fall.«
»Woher«, fragte Krause schnell, »kennst du diesen Namen?«
»Junge, ich weiß ihn eben und kann dir nicht helfen. Meiner Aufgabe gemäß müsste ich eigentlich die zuständige Staatsanwaltschaft anrufen und Schlauf zur Anzeige bringen. Er wird international von der Steuerfahndung gesucht. Und ich müsste dich offiziell fragen, wie seine Anschrift lautet. Rechtslage, mein Lieber, klare Rechtslage. Ob wir ein Geheimdienst sind oder nicht.«
»Kann ich versuchen, einiges klarzustellen?«
»Aber sicher, ich habe nichts anderes erwartet.«
»Wir haben Schlauf niemals angeheuert, wir haben ihn niemals systematisch abgeschöpft. Er meldet sich von Zeit zu Zeit und leitet uns Informationen zu, von denen er glaubt, sie seien wichtig. Und er hat ein Händchen dafür. Wir haben ihn bezahlt, weil er das so wollte. Er hat uns zum Beispiel in einem Fall eine Adresse verraten, für die du in den USA rund dreißig Millionen Dollar von den Strafverfolgern bekommen hättest. Er braucht diese Peanuts von uns also eigentlich gar nicht. Der Mann hat keine feste Adresse, nirgendwo. Und diese dämlichen Staatsanwälte, die ihn suchen, zäumen das Pferd grundsätzlich vom Schwanz her auf, sie haben kein Hirn für so einen Mann. Und jetzt kommt in dieser Sache plötzlich ein Angriff aus der Regierungsecke. Ob das stimmt oder nicht, weiß ich nicht, niemand weiß das. Aber wir machen da nicht mit, wir schreiben unseren Atze niemals ab. Und notfalls erzähle ich die Geschichte Leuten, die auf so etwas warten.« Er starrte einen Moment auf seine Schuhe, trank dann einen Schluck Kaffee.
Lammers saß eine Weile stumm da, dann bat er um einen Whisky.
Gillian brachte ein Glas. Er trank einen winzigen Schluck. Es dauerte Minuten, er fuhr sich durch die Haare, starrte zum Fenster hinaus, blickte Krause an, trank dann einen zweiten Schluck.
»Ich glaube, dass deine Zeit abgelaufen ist«, erklärte er endlich. »Ich weiß, dass man so etwas nicht sagt, aber so scheint es nun einmal zu sein. Ich glaube dir, was du gesagt hast. Keine Frage. Ich weiß auch, dass du absolut ehrlich bist, solange es nicht um deine berufsmäßigen Lügen geht. Aber ich fürchte, ich werde dir nicht helfen können. Da hat sich eine starke Front gegen dich gebildet, sogar beim wissenschaftlichen Dienst sind sie der Meinung, dass es gut wäre, einen neuen Operationschef zu bekommen. Du weißt selbst, wie das Leben so spielt, anfangs gibt es miese Gerüchte, und dann kommt der Hammer.«
»Ich werde mich wehren«, sagte Krause.
»Das ist dein verdammtes Recht«, bestätigte Lammers. »Und wenn du Fragen hast, ruf mich an. Was ich weiß, werde ich dir sagen. Ist das okay so?«
»Ich werde mich wehren«, wiederholte Krause.
Wenig später ging er zu seinem Dienstwagen und setzte sich wortlos auf die Rückbank. Er blickte starr vor sich hin, von der Fahrt nahm er kaum etwas wahr.
Als er zu Hause ankam, öffnete Wally ihm die Haustür und sagte beunruhigt: »Du siehst aber schlecht aus, mein Lieber.«
Er ging wie blind an ihr vorbei, geradeaus in das Wohnzimmer, und als er neben dem Sofa war, glitt sein linkes Bein unter ihm weg, trug ihn einfach nicht mehr. Er stürzte schwer auf den Tisch mit all den technischen Geräten und riss sie dabei herunter. Aber da war er längst bewusstlos.
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Sie wurden zusammengerufen. Esser legte die Sitzung auf zwei Uhr morgens. Niemand konnte sich entschuldigen, das Erscheinen war Pflicht.
Goldhändchen, Friedhelm Lammers, Esser, Sowinski, Thomas Dehler, Svenja Takamoto und Karl Müller. Sie hatten Gillian zum Protokoll gebeten, wollten aber nicht, dass ihre Stimmen aufgezeichnet wurden.
Esser übernahm den Einstieg.
»Gestern gegen Abend kam unser Chef von hier nach Hause zurück und wurde von einem massiven Schwächeanfall buchstäblich zu Boden gestreckt. Er stürzte schwer, wurde sofort von einem Notfallmediziner behandelt und dann in die Charité eingeliefert. Man hat, o Wunder, bisher weder einen Schlaganfall noch einen Infarkt festgestellt. Ein Organversagen liegt auch nicht vor. Die Platzwunde an seinem Kopf ist der einzige massive Schaden, den er davongetragen hat. Er wurde mit zwölf Stichen genäht. Gleichwohl liegt er auf der Intensivstation, weil sie alle möglichen Untersuchungen anstellen wollen und ihn in alle Richtungen auf alle möglichen Verdachtsmomente hin testen. So weit, so schlecht. Ich habe Friedhelm Lammers hinzugebeten, weil er der Letzte war, mit dem Krause gesprochen hatte.
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