Die grosse Fahrt der Sable Keech
betrachtete die unzähligen Überreste von Meeresbewohnern – zumeist noch unreife Rhinowürmer –, die auf dem Wasser schwammen. Eindeutig war die Schlacht unter Wasser so grausam verlaufen wie die am Himmel. Obwohl es Nacht war und Coram noch nicht aufgegangen war, sah sie alles deutlich. Sogar die Schiffslaternen wirkten fahl im grellen Licht der leuchtenden Wolken, die über das halbe Firmament verschmiert waren. Sie hielt die Reling fest gepackt, und ihre Miene entsprach ebenfalls einem Sturm. Sie konnte sich denken, was das für Wolken waren – welche Art von Waffen kürzlich aus dem Orbit heraus eingesetzt und glücklicherweise neutralisiert worden waren – und wie knapp sie alle der Vernichtung entgangen waren. Aber jetzt rührten sich die dunklen Geschütztürme des Pradorschiffs nicht, und sie hörte auch nicht mehr die Geräusche, die nach fernem Donner klangen. Vielleicht hatte man einen Waffenstillstand vereinbart, aber Erlin schien es eher wahrscheinlich, dass den Gegnern die Munition ausgegangen war.
Erlin wusste, dass ihr Zynismus aus Müdigkeit und Frustration resultierte, wenn er auch nicht unbedingt unbegründet war. Viele Stunden lang war sie von Kabine zu Kabine gegangen und hatte nach den Reifikationen gesehen. Obwohl ihr die meisten sagen konnten, ob sie Hilfe brauchten, war ein Teil von ihnen, mit älterer Reiinkations-Hardware ausgestattet, durch den EM-Niederschlag der Schlacht in der Umgebung ausgeschaltet worden. Ein konstanter Strom Reifis wanderte so in die Tanks, um dort ihrer keinesfalls gewährleisteten Auferstehung zu harren. Ein Nanowandler hatte schon einen Reifi vollständig aufgelöst und den betroffenen Tank mit einer schleimigen Eingeweidemasse gefüllt. Aber darin lag noch das geringste von Erlins Problemen.
Sie wog all das ab, was man bislang wusste: Vrell war wohlauf und parkte im Raumschiff seines Vaters direkt unter ihnen; ein größeres Schiff aus dem Königreich war eingetroffen und verfolgte erkennbar die Absicht, Vrell in Prador-Kebab zu verwandeln, während der Hüter sich bemühte, Kollateralschäden in Grenzen zu halten. Eine Verbindung zur KI auf Coram war bestenfalls sporadisch möglich, und selbst wenn sie mal bestand, hatte der Hüter nicht viel zu erzählen. Die Kl fand wahrscheinlich, dass es die allgemeine Quälerei nur verlängert hätte, falls sie die Menschen an Bord der Sable Keech über ihrer aller bevorstehenden Tod informierte. Dem planetaren Server ging es auch nicht allzu gut, und durch dieselben EM-Interferenzen, die die Reifis ausgeschaltet hatten, waren auch die Funksysteme der Sable Keech ausgefallen. Aber der Angriff war unterbrochen; also was jetzt?
»Dreizehn!«, brüllte Erlin.
Vielleicht war es unklug, falls sie mehr zu erfahren versuchte. Eigentlich sollte sie unverzüglich ihre Koje aufsuchen, wie sie ursprünglich beabsichtigt hatte.
»Dreizehn!«, brüllte sie erneut.
»Ich bin hier.«
Die Seepferdchendrohne stieg neben dem Schiff auf und blieb vor Erlin schweben, im Licht des brennenden Himmels glitzernd.
»Ich dachte, du wärst fort«, sagte Erlin. »Hier ist zurzeit nicht ganz der sicherste Platz.«
»Es war hier sicherer, als wenn ich versucht hätte, mich davonzumachen. Obwohl ich klein bin, hätten Vrells Systeme mich entdeckt und abgeschossen.«
Erlin stellte fest, dass Wasser von der eisenfarbenen Drohnenhülle tropfte. »Du warst unten in Vrells Schiff.«
»Vrells interne Sicherheitsmaßnahmen sind gut, aber auch wiederum nicht so gut.«
»Irgendwas zu melden?«
»Ich konnte durch eine beschädigte Stelle im Schiffsrumpf eindringen. Vrell steckt in ernsten Schwierigkeiten. Nicht nur, weil ein Verwandter sehr darauf bedacht ist, ihn zu vernichten, ehe er den Planeten verlassen kann, nein, er kann ihn ohnehin nicht verlassen.«
»Erkläre das!«
»Einige Besatzungsmitglieder der Vignette arbeiten am Subraumtriebwerk. Ich habe es sondiert. Es ist beschädigt, und ich bezweifle sehr, dass er über die nötigen Mittel für eine Reparaturverfügt«, antwortete die Drohne kurz und bündig.
»Vignette?«, fragte Erlin.
»Ah, du weißt noch nichts davon«, stellte Dreizehn fest und berichtete es ihr.
Erlin dachte über die Situation nach. Ron, der schon in jenem lange zurückliegenden Krieg gegen die Prador gekämpft hatte, würde gar nicht erfreut sein, auch schlicht deshalb nicht, weil er nun mal war, was er war, ein Alter Kapitän. Und sicherlich würde er handeln wollen, wenn er davon erfuhr, dass Hooper auf dem
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