Die grosse Fahrt der Sable Keech
Es zeigte an, dass der Hüter derzeit keine Anrufe entgegennahm.
Aus dem Museum und jetzt aus größerer Nähe drang das trommelnde Knacken von Laserfeuer herein. Olian schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Das machte überhaupt keinen Sinn. Was konnte ein Golemsegel hier suchen? Sie wollte wieder aufstehen, beherrschte sich aber. Falls zwei Wachgolems nichts ausrichteten, dann würde sie es auch nicht können. Sie setzte sich erneut und verzog das Gesicht, als sie hörte, wie die Foyertür aus den Angeln gerissen wurde. Olian duckte sich, als die eigene Bürotür nach innen explodierte. Sie blickte rechtzeitig wieder über den Schreibtisch, um das Golemsegel in der Türöffnung aufragen zu sehen; sie setzte sich auf, schnippte schwelende Splitter von der Jacke und hob den Blick.
»Ja, was kann ich für dich tun?«
Das Segel stand einfach nur da, die Flügel halb ausgebreitet, und legte sie wieder an. Es öffnete den Mund und schloss ihn aufs Neue, als hätte es ihm die Sprache verschlagen, und dieses gefährliche Glühen wurde in den Augen mal stärker und mal schwächer.
»Olian Thay«, sagte es dann.
»Ja, die bin ich. Ist dir klar, dass wir heute geschlossen haben?«
»Olian Thay – öffne den Safe.«
Oh klar doch!, dachte Olian. Ein Banküberfall!
Erlin hatte erfahren, dass die Maschinen der Sable Keech dampfgetrieben waren – wobei der Dampf direkt aus den fusionsgetriebenen Wasserreinigern eingepumpt wurde – und als Polisprodukt fast unbegrenzt auf höchster Geschwindigkeit laufen konnten. Das Schiff würde deshalb weit früher als geplant am Kleinen Flint eintreffen. Trotzdem fragte sich Erlin, ob auch nur einer der reifizierten Passagiere so lange durchhielt.
Sie beugte sich über einen Tank, betrachtete dessen abstoßenden Inhalt, studierte die Anzeigen und seufzte. Einige der reifizierten Passagiere würden nie wieder die eigenen Körper bewohnen, und andere waren unwiederbringlich tot. Dieser zum Beispiel war gerade von seinem Nanowandler in eine organische Brühe verwandelt worden. Sogar die Knochen existierten nicht mehr. Nur die Reifikations-Hardware und der Memokristall waren noch übrig, und sogar sie sahen sich dem Angriff der Naniten ausgesetzt.
Erlin tippte eine bestimmte Sequenz in ihre Konsole und verfolgte, wie die undurchsichtige Flüssigkeit erst wirbelte und dann sprudelte. Es war riskant, den Inhalt eines Tanks auf diese Weise zu entsorgen, denn obwohl unwahrscheinlich war, dass die Naniten unter den Bedingungen der Umgebung überleben konnten – da hoch spezialisiert und mit speziellen Anforderungen geschlagen –, gelang es einigen womöglich doch. Die Flüssigkeit dampfte jetzt, und der Gestank erinnerte scheußlich an kochenden Eintopf. Als Erlin endlich zufrieden war, tippte sie eine andere Instruktion ein, und der Tank lief aus. Selbst jetzt war die Flüssigkeit allerdings noch gefährlich, weshalb sie auch in einen Reinigungsmeiler in der Bilge geleitet wurde, wo das Wasser verdampft und der Niederschlag mit zweiwertiger Säure behandelt werden würde.
Erlin hatte gerade heute Morgen erst drei ähnliche Tanks entleert und drei Memokristalle geborgen. Sie blitzsterilisierte diese Kristalle von außen, ehe sie sie nach aktiven Naniten sondierte. Einer der Kristalle erwies sich als verdorben – irgendeine nanitische Mutation der ursprünglichen Nanofabrik fraß sich in ihn hinein. Siebenundfünfzig Reifis waren inzwischen in die Tanks gewandert, und bislang war keinem die Auferstehung gelungen. Vierzehn waren sogar in die Wasserreiniger gespült worden, und nur neun ihrer Memokristalle blieben intakt. Wäre Erlin selbst ein Reifi gewesen, hätte sie die Chancen keinesfalls für gut befunden.
Erlin blickte sich um. Forlam war noch da ein Hooper, dem sie sich widerstrebend verbunden fühlte –, und sie sah Peck und einen oder zwei weitere von Ambels Besatzung im großen Raum verstreut, wo sie Aufgaben nachgingen, die sie ihnen übertragen hatte. Vom Kapitän selbst war allerdings immer noch keine Spur zu sehen.
Sie ging zu Blocs Tank hinüber und blickte hinein. Eine Menge Abfall trieb im Wasser, und noch mehr bildete eine schlickähnliche Schicht am Boden, aber sie sah auch frische neue Haut an einem Bein – wo sich eine matschige Kruste gelöst hatte – und eine sich beugende rötliche Hand. Erlin warf einen prüfenden Blick auf die Displays und sah bestätigt, dass Bloc im Prozess des Downloads war. Er stand kurz vor der Auferstehung, und der
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