Die grosse Fahrt der Sable Keech
wie Bruchstücke des medizinischen Porzellans auf den Boden sanken. Er brauchte jedoch nicht mal hinzusehen, da die unglaubliche Empfindsamkeit der neuen Manipulationshände ihm alles verriet, was er wissen musste. Er war ein Erwachsener; das war unmöglich! Und doch platzte ein weiterer Verband auf, und ein neues Bein entfaltete sich. Während er es mit dem Palpenauge musterte, wurde sich der Prador der Tatsache bewusst, dass er ein verschleiertes Bild durch Turmaugen erblickte, die niemals ihre Sehkraft hätten zurückerlangen dürfen, nachdem ein APW-Feuerstoß sie verbrannt hatte. Heranwachsende Prador bildeten verlorene Gliedmaßen neu aus, aber keinem Prador wuchsen jemals die Zweitaugen nach. Etwas sehr Seltsames und sehr Wunderbares widerfuhr Vrells Körper. Aber er saß nach wie vor hier in der Falle.
Er drehte sich zur Tür um; er brauchte ein weiteres Wunder, um sie zu überwinden. Er entschied, einen Versuch mit einer eher nüchternen Maßnahme zu riskieren, zog die elektromagnetische Pistole aus dem Geschirr, zielte auf die Türkante und schoss. Ein Strom Geschosse schmetterten durchs Meerwasser und erzeugten weiße Linien, ehe sie in die Türseite krachten und von dort abprallten. Einige abgeprallte Geschosse schlugen Splitter aus Vrells Panzerung, aber er schoss weiter, bis das Magazin leer war. Dann richtete er den Plasmaschweißer auf das geschwächte Metall, konnte dort aber nur ein kleines Loch erzeugen, ehe dem Schweißgerät der Brennstoff ausging. Vrell konnte dort nur die Klaue hindurchstecken, aber es war trotzdem ein Sieg, da jetzt Luft hereinsprudelte und das Wasser ablief. Er würde eindeutig nicht mehr ersticken – nur verhungern.
Vrells neue Gliedmaßen wuchsen jetzt mit phänomenaler Schnelligkeit, und dieser Wachstumsschub saugte ihn innerlich richtig aus. Der Hunger wurde grausam, und er suchte sein Gefängnis nach Essbarem ab. Zu finden war jedoch nichts, keinerlei lebende Blutegel und keine Überreste derjenigen, die er mit seiner Unterwasserpistole gekocht hatte. Er hätte allerdings welche finden müssen. Daraus wiederum konnte er schließen, dass die Einsatzuhr Recht gehabt hatte. Er wusste, dass Blutegel für lange Zeitspannen schlafen konnten und es Jahre dauerte, bis sie Hungers starben. Er hob die Einsatzuhr wieder auf, musterte sie lange und steckte sie ans Geschirr zurück. Was jetzt? Was sollte er jetzt tun?
Ihm blieben tatsächlich noch ein paar Möglichkeiten. Er löste die elektromagnetische Pistole von dem Magazin, das er am Geschirr trug, und tat mit dem Schweißgerät das Gleiche.
Beide Geräte enthielten Laminarbatterien – und der Plasmaschweißer hatte seinen Dienst nur eingestellt, weil der Gasvorrat erschöpft war. Er zerlegte die beiden Geräte, nahm die Batterien heraus und rammte sie in das Loch, das er erzeugt hatte. Dann huschte er zurück zur anderen Sprengschutztür. Der Wasserspiegel war inzwischen auf unterhalb des Lochs gesunken. Vrell tauchte unter und zielte mit der Unterwasserpistole auf die beiden Batterien. Laminarbatterien reagierten nicht sehr gut auf übertriebene Erhitzung. Vrell senkte die Augenstiele und schoss.
Es dauerte nur eine Minute, in deren Verlauf sich die Luft über ihm mit Dampfwolken füllte. Als die beiden Batterien explodierten, rammte die Druckwelle mit solcher Wucht auf den Prador ein, dass er reflexartig in Abwehrstellung ging: alle Gliedmaßen eingezogen, sodass er zu Boden sank. Als er sich schließlich wieder aufrichtete, war das Wasser heiß und ätzend und die Luft darüber nicht mehr atembar. Vrell hastete zur Tür hinüber, um sich anzusehen, welchen Schaden er angerichtet hatte. Die Tür schien ein Stück weiter aufgedrückt worden zu sein, und einen Augenblick später spürte Vrell auch eine Strömung – das restliche Wasser lief ab. Er rammte die Klaue in die Delle an der Türkante, scharrte mit den Füßen und drückte so stark, wie er konnte. Bildete er sich nur ein, dass sich die Tür weiter durchbog? Das war möglich, da die Tür, obzwar gepanzert, aus mehreren Schichten Verbundmaterial, Isolierung und Schaumporzellan bestand, um Druckwellen eher zu absorbieren als zu reflektieren. Jetzt fiel Vrell die Beule ein, die er vor seiner Bewusstlosigkeit in die Wand gehauen hatte. Auch die Wand war ja gepanzert.
Vrell zog sich ein Stück weit zurück und betrachtete die Entwicklung sorgfältig. Das Wasser hemmte seine Beweglichkeit, also musste erwarten. Die neuen Gliedmaßen waren inzwischen voll ausgewachsen
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