Die grosse Fahrt der Sable Keech
Tod ein Berufsrisiko. Nein, die kleine Drohne fühlte sich zu einer Meldung verpflichtet, weil fünf Hooper ums Leben gekommen waren.
Dreizehn sank auf eine Flughöhe, in der das Laub weniger dicht war, und folgte einem Pfad zwischen kugeligen, rauen Birnstockbäumen, von denen Rinde heruntergerissen worden war, sodass jetzt grüner Saft heraussickerte wie Maschinenöl. Andererseits half es den Toten auch nicht, wenn sie den Vorfall meldete … Dreizehn hüpfte in der Luft auf und ab – der einzige äußere Ausdruck ihrer Frustration. Im Grunde fiel die Anwesenheit einer feindseligen fremden Lebensform auf Spatterjay schon irgendwie in das Aufgabengebiet des Hüters, auch wenn Dreizehn nicht mehr verpflichtet war, es zu melden. Die kleine Drohne fürchtete sich einfach davor, Kontakt zum Hüter aufzunehmen, denn obwohl sie inzwischen eine freie Drohne war, hatte sie noch immer Angst, womöglich absorbiert zu werden. Endlich riss sie sich zusammen und öffnete einen Kanal. Die Antwort erfolgte augenblicklich.
»Was ist los, Dreizehn?«, fragte der Hüter.
Dreizehn sendete eine Kopie der in der vergangenen Nacht aufgezeichneten Bilddatei und wartete.
»Ich bin mir der Anwesenheit des Kapuzlers bewusst, frage mich aber, warum ich mich darum scheren sollte.«
»Ich dachte nur, du solltest es lieber wissen«, sagte Dreizehn widerstrebend.
»Ich weiß es. Die Kreatur wurde im Laderaum der Gurnard hergebracht. Dieses Schiff ist ein Freihändler, sodass die Polis keinerlei Verantwortung für ihre Ladung trägt.«
»Ich dachte … fremde Lebensformen hier unten …«
»Der Kapuzler ist nur ein gefährliches Tier. Falls ich die Verantwortung für jedes gefährliche Tier auf Spatterjay übernehmen wollte, müsste ich wahrscheinlich ein paar SKIs auf jedem Quadratkilometer Land und in jedem Kubikkilometer Meer postieren.«
»Was war mit dem Prador?«
»Benötigst du einen Vortrag darüber, was genau ins Aufgabengebiet eines Hüters fällt?«
»Vielleicht tue ich das.«
»Die relevanten Absätze legen fest, dass ich nach allem Ausschau zu halten habe, was eine Gefahr oder mögliche Gefahr für die Polis darstellt, und ich habe die Vollmacht einzugreifen, wenn irgendeine derartige Gefahr ganz allgemein die Bevölkerung oder die Biosphäre von Spatterjay betrifft, aber besonders dann, wenn sie von innerhalb der Polis ausgeht. Der Prador Ebulan fiel unter beide Kategorien.«
»Ebulan kam aus dem Dritten Königreich der Prador.«
»Dann war die Gefahr, die er verkörperte, genereller und nicht spezieller Natur.«
»Klingt ein bisschen fadenscheinig.«
Der Hüter legte eine lange Pause ein, ehe er sagte: »Ich könnte die Bedingungen meiner Zuständigkeit strapazieren und eingreifen, aber ich möchte es nicht tun – nicht wenn diese kleine Gruppe die Gefahr über sich selbst gebracht und sie außerdem in adäquater Form selbst besiegt hat.«
»Und die Hooper?«
»Leider kann ich keine Verantwortung für das individuelle Leben jener übernehmen, die keine Polisbürger sind.«
Wagemutig sagte Dreizehn: »Du hast dich verändert.«
Erneut trat eine lange Pause ein, dann: »Ich schicke vielleicht Sniper, wenn er greifbar ist.«
»Sniper? Was tut Sniper denn gerade?«
Die Verbindung fiel aus, und Dreizehn bemerkte jetzt, dass sie nicht nur frei war, sondern auch vollkommen ausgeschlossen. Vielleicht lag hier der Grund, warum Drohnen wie Sniper immer Beschäftigung bei KIs wie dem Hüter suchten. Die Eigenständigkeit hatte ihre Nachteile.
Endlich sank Dreizehn tiefer, bewegte sich zu einer Stelle weiter, wo ein Gebüsch aus Stinkphalluspflanzen zermalmt worden war, und betrachtete das abgeworfene, tote Segment des Kapuzlers, das in dem stinkenden Pflanzenbeet lag. Dann drehte sich die SKI langsam in der Luft. Bis hierher hatte sie letzte Nacht den Kapuzler verfolgt, ehe sie zum Lager zurückkehrte. Das Tier war nur sehr langsam vorangekommen, und in Anbetracht seines kümmerlichen Zustands und der von der APW erzeugten Verletzung ging die Drohne davon aus, dass es eine ganze Zeit lang kaum viel weiter kommen würde. Jetzt war es allerdings fort. Dreizehn stieg über die Bäume auf, schaltete alle Sensoren ein und machte sich auf die Suche.
Du hast dich verändert. Der Hüter betrachtete diese Aussage von allen Seiten. Sie war deutlich genug, um ihm Kummer zu bereiten, und doch vage genug, dass ihm keine klare Bestätigung möglich schien. Die KI fuhr interne Diagnoseprogramme und führte Systemvergleiche
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