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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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begann unkontrolliert zu zittern, fühlte eine Hand auf der Stirn. Sanft. Kühl. Eine alte Frau beugte sich über ihn. Viele Runzeln im Gesicht. Sie stellte sich nicht so an, als wolle sie ihn in die Jauchegrube werfen. Zwei andere. Jüngere. Die eine mit Bernsteinhaaren und Bernsteinaugen. Schöne, klare Augen. Die Augen der anderen: schwarz, leuchtend schwarz. Und weise. Wo immer er sich jetzt befand, das war nicht das Zelt, in dem die Rothaarige tatenlos mitangesehen hatte, wie ihn die Männer ins Freie beförderten.
    Männer? Er blickte sich ängstlich um. Ja, da waren auch Männer. An der Zeltwand lehnten Speere. Einer der Männer hielt einen Weinschlauch. Keine Gefahr.
    Dann trat ein anderer an sein Lager, lächelte ihm zu. Japheth. Dennys atmete erleichtert auf. »Jay…«flüsterteer.
    »Den!« rief Japheth froh. »Oholi, er kommt zu sich!«
    »Jay…« Dennys‘ Zähne klapperten.
    »Wer hat dich so zugerichtet?« wollte Japheth wissen.
    Dennys schloß die Augen.
    »Plage ihn nicht mit Fragen«, sagte O-holi-bamah.
    »Hab keine Angst, Den«, sprach Japheth ihm Trost zu. »Niemand darf dir etwas tun. Ich trage dich jetzt an einen Ort, an dem es kühl und ruhig ist. Hab keine Angst.«
    Japheth war von allen im Zelt der Größte, aber die Last des Riesen zwang auch ihn fast in die Knie.
    Dennys fühlte sich hochgehoben. Atmete frische Luft ein. Streifte mit dem Kopf gegen eine Zeltklappe, wurde auf ein weiches Lager gebettet. Er fuhr sich mit der Zunge über die verkrusteten Lippen, hatte auf einmal ungeheuren Durst. »Wasser, Jay!« krächzte er, fand nicht die Kraft, auch noch »bitte« zu sagen.
    Das Mädchen mit den schwarzen Augen hielt ihm einen Weinschlauch an den Mund. Was er trank, schmeckte bitter und süß zugleich. Das Schlucken fiel schwer, die Flüssigkeit brannte in der Kehle.
    »Wir sollten ihm nicht zu viel Wein geben«, sagte das Mädchen.
    »Ich habe die Feigen vergessen.« Das war die Stimme der plumpen Frau mit dem Nußschalengesicht. »Ich bin gleich wieder da.«
    Dennys hörte das Tappen bloßer Füße. Die Zeltklappe fiel zu.
    »Er hat mich erkannt.« Japheths Stimme.
    »Ich glaube, er fürchtet sich nicht mehr vor uns«, sagte das Mädchen mit den Bernsteinaugen.
    »Wasser…« bat Dennys.
    Die Bernsteinäugige sagte nachdenklich: »In Großvater Lamechs Brunnen gibt es noch Wasser.«
    Das andere Mädchen stimmte ihr zu. »Ich würde gern einen Krug voll holen, wenn es nicht gar so weit wäre zum Rand der Oase.«
    Japheth legte liebevoll den Arm um sie. »Ich nehme eines der Kamele. Ich will nicht, daß ihr zu so später Stunde unterwegs seid.«
    »Sei vorsichtig!« warnte die Jüngere.
    »Nimm mein Kamel«, sagte die Schwarzhaarige. »Es ist schnell und trägt dich sicher.«
    »Ich danke dir, O-holi-bamah, mein Weib.« Japheth küßte sie auf die Lippen.
    Dennys nahm noch wahr, wie Japheth das Zelt verließ, dann schwanden ihm die Sinne.
    Als er wieder erwachte, hörte er die beiden jungen Frauen leise miteinander sprechen.
    »Warum will sich mein Vater nicht mit Großvater Lamech versöhnen?« fragte er die mit der helleren Stimme. »Ich mußte lange betteln, bis er mir das Öl für Großvaters Nachtlicht gab.«
    Die Ältere, die, der Japheth den Kuß gegeben hatte, die mit dem seltsamen Namen, Oholi-irgendwas, hatte eine Stimme wie Samt. »Es kränkte deinen Vater zutiefst, daß Großvater Lamech darauf bestand, in seinem eigenen Zelt zu bleiben.«
    »Aber wenn er doch gut für sich selbst sorgen kann…«
    »Das allein ist es nicht«, sagte die mit der dunklen
    Stimme. »Die Leute haben die Ehrfurcht vor den Alten verloren. Sie wollen ihre Geschichten nicht mehr hören.«
    »Ich höre Großvater gern zu.«
    »Ich auch, Yalith.«
    Die mit den Bernsteinaugen hieß also Yalith. Und die andere Oholi.
    »Wann hat das alles begonnen?« fragte Yalith. »Anah erzählte, daß man ihren Großvater zum Sterben in die Wüste getragen und seinen Leib den Aasgeiern überlassen habe.«
    »O El, wohin wird das noch führen?«
    »Und was, in Els Namen, können wir dagegen tun? Die Menschen werden immer grausamer zueinander. War das schon so, ehe die Nephilim und Seraphim kamen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und wer kam zuerst?«
    »Das weiß ich auch nicht«, erwiderte Oholi. »Es gibt so vieles, das wir nicht wissen. Zum Beispiel, woher der verwundete Riese kommt.«
    »Der andere«, erinnerte sich Yalith, »der in Großvater Lamechs Zelt, sagte, sie kämen aus verteidigten Staaten.«
    »Aus den

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