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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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Schüssel mit Sand sauber scheuerte. Sie blickte auf und erwiderte den Gruß.
    »Sie hat einen fremden Namen und kam aus einer fremden Oase zu uns«, sagte Matred. »Schau sie dir an.«
    O-holi-bamahs Haut war heller als die Yaliths und die der anderen Frauen, heller sogar als die von Ham. Dafür waren ihr Haar und ihre Brauen schwärzer als der Nachthimmel, purpurschwarz. Sie überragte alle um eine Haupteslänge. Und sie war schön, strahlend schön, wie mondbeglänzt. »Was ist mit ihr?« fragte Yalith.
    »Schau sie dir an, Kind«, wiederholte Matred. »Schau sie dir genau an.«
    Yalith erschrak. »Du meinst, daß sie…?«
    Matred zuckte die Schultern. »Sie gilt als die jüngste Tochter eines sehr alten Mannes. Ich liebe sie, als wäre sie mein eigenes Kind. Sollte sie in Wahrheit von einem Nephil gezeugt worden sein, hätte das viel Gutes in unser Leben gebracht.«
    O-holi-bamah war Yaliths erste wirkliche Freundin gewesen. Sie waren beinahe gleichaltrig und hatten vieles gemeinsam. Sie erfreuten sich derselben Dinge, die anderen in der Oase entgingen. Sie verließen oft im ersten Morgengrauen das Zelt, um den anbrechenden Tag zu grüßen. An einem dieser Morgen hatte Yalith auf diese Weise den großen Löwen getroffen, den Seraph Aariel. Und einmal hatte sie Mahlah zum Mitkommen überredet und ihr Aariel vorgestellt – und den anderen Seraph, Alarid, den Pelikan. Aber in letzter Zeit schlief Mahlah lieber in den Tag hinein, wenn sich Yalith und O-holi-bamah leise aus dem Zelt schlichen.
    Jetzt seufzte sie, und Yalith ging zu ihr hin und fragte leise: »Was bedrückt dich?«
    »Ich war heute vormittag einkaufen. Wir brauchten neue Vorräte. Ein Nephil kam aus dem Badehaus. Er roch nach Öl und würzigen Salben und stellte sich mir in den Weg.«
    »Und?«
    »Er sagte, ich sei eine der ihren. Die Tochter eines Nephils.«
    Yalith schaute zu ihrer Mutter hinüber, musterte dann prüfend O-holi-bamah. Dachte an Eblis und dessen purpurne Flügel. Sagte: »Wäre das denn so schlimm?«
    »Es ist purer Unsinn. Ich liebe meine Eltern. Ich liebe meinen Vater.«
    Yalith hatte O-holi-bamahs Eltern nie gesehen. Sie fragte sich, was sie dazu sagen würde, wenn jemand plötzlich behaupten sollte, ihr Vater sei gar nicht ihr wahrer Vater. Nun, da ihr Matred den Gedanken eingeflüstert hatte, O-holi-bamah könne von einem Nephil gezeugt worden sein, schien ihr das durchaus glaubhaft. O-holi- bamah besaß Heilkräfte. Sie sang wie ein Vogel. Sie sah, was anderen entging…
    »Hast du gehört, was ich vorhin sagte? Mahlah hat sich mit einem Nephil verlobt.«
    »Ja«, sagte O-holi-bamah, »ich habe es gehört. Mahlah liebt schöne Dinge. Die Frauen der Nephilim wohnen in Häusern aus Stein und Lehm, nicht in Zelten. Mahlah ist bestimmt sehr stolz darauf, auserwählt worden zu sein.«
    »Was hältst du davon?« fragte Yalith.
    »Ich weiß nicht recht. Ich weiß nicht recht, was ich von den Nephilim halten soll. Vor allem, weil ich vielleicht selbst…« Sie sprach nicht weiter.
    »Und was hältst du von den Seraphim?«
    »Das weiß ich noch weniger.«
    O-holi-bamah preßte die Hände gegen die Ohren, weil Ham vor Schmerzen zu schreien begann. »Selah, hilf mir!« brüllte er das Mammut an. Für einen so schmächtigen Menschen war seine Stimme erstaunlich kräftig. »Ich brauche ein Einhorn!«
    »Als ob du nicht wüßtest, daß dir keines in die Nähe kommt!« schalt ihn Anah.
    »Es muß mir nicht in die Nähe kommen.« Ham stöhnte. »Einhörner können ihr Licht über jede Entfernung ausstrahlen. Ich brauche ja nur das Licht.«
    »Du brauchst mehr als das«, brummte Anah.
    »Yalith! Denk mir ein Einhorn her. Oder du, Selah!«
    Die plötzliche Helle blendete in den Augen. Es war, als hätte ein Blitz die schweren Ziegenfelle der Zeltwände durchdrungen; aber vielleicht war er durch die Öffnung im Dach gekommen.
    »Verschwinde!« schrie Ham. »Wer bist du?«
    Das galt nicht dem Einhorn, das schimmernd im Zelt stand, sondern jenem, der an Hams Seite aufs Lager geglitten war, einem sehr jungen Mann mit zerschrundeter, sonnengeröteter Haut und fieberglänzenden Augen.
    Matred starrte den Jungen an. »Wie geriet der auf einmal hier herein? Ham, ist das einer deiner Freunde?«
    Ham war völlig verwirrt. »Ich habe ihn noch nie gesehen.«
    »Wer ist das?« wollte Sem wissen.
    Der Patriarch legte den Hammelknochen weg, an dem er die ganze Zeit gekaut hatte, und knurrte angewidert: »Schon wieder so ein Riese.«
    O-holi-bamah sagte:

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