Die große Flut
gestritten. Großvater hat die besten und tiefsten Brunnen.«
»Aber ihr dürft euch doch von ihm so viel Wasser holen, wie ihr braucht?«
Japheth seufzte. Dann lachte er. »Ach, Den, der Streit ist so alt und dumm, daß die beiden nicht mehr wissen, worum es eigentlich geht. Sie sind eben starrköpfig und unnachgiebig.«
»Was für ein Mensch ist dein Großvater? Ist er in der Lage, sich ausreichend um Sandy zu kümmern?«
»Ganz bestimmt. Großvater Lamech ist so gastfreundlich wie meine Mutter. Und sanft und gut. Er hat Yalith und mich gelehrt, den Sternen und dem Wind zu lauschen und El zu lieben.« Wieder seufzte er. »Ach, Den, es tut mir leid, dich in unseren Familienstreit hineingezogen zu haben.«
Auch Dennys seufzte. Nicht Japheth, die Sterne hatten ihn in die Sache verwickelt.
Ihn schauderte.
Großvater Lamech und Higgaion brachten Sandy nun auch bei Tag ins Freie, nicht in die pralle Sonne, aber in die Schatten des Hains.
Wie Dennys trug auch Sandy bloß ein Lendentuch und fand es bequem. Sein Gewand war gewaschen und im Zelt verstaut – für den Fall, daß er es jemals brauchen würde.
Eines Morgens sagte Sandy nach dem Frühstück: »Kann ich dir vielleicht helfen? Ich verstehe mich nicht aufs Kochen, aber ich bin ein guter Gärtner.«
Lamechs Augen wurden hell. »Ich habe den Gemüsegarten in letzter Zeit sehr vernachlässigt. Higgaion bewässert ihn, aber ich bin zu alt für die viele Arbeit, und die Pflanzen ersticken unter dem Unkraut.«
»Laß mich nur machen!« rief Sandy.
Lamechs Runzelgesicht war ein einziges breites Lächeln. »Nicht so hastig, mein Sohn. Im Garten arbeitet man am frühen Morgen und bei Sonnenuntergang.«
Und am Abend, als es kühl geworden war, führte er ihn zum ersten Mal in den Garten.
Tage vergingen. Eines Morgens sagte Adnarel: »Dem Den geht es viel besser.«
Sandy nickte. »Das höre ich gern. Aber warum nennst du uns ›den Sand‹ und ›den Dem‹, als wären wir seltene Tiere?«
Adnarels Lächeln erstarb. »Wir übernahmen diese Bezeichnungen von Japheth. Für ihn seid ihr ja tatsächlich so ungewöhnlich und fremd wie seltene Tiere.« Er nickte anerkennend und wies auf Sandys Strohhut, den Matred eines Abends mit dem Nachtlicht ins Zelt geschickt hatte. »Gut, daß du den Kopf bedeckst. Lamech sagt, du seist ihm eine große Hilfe im Garten.«
Sandy schob den Hut in den Nacken. »Ich rupfe das Unkraut aus.« Dann wechselte er plötzlich das Thema. »Was bedeutet eigentlich dein Name, Adnarel?«
»Er besagt, ich sei Der Diener dessen, der das Universum schuf.«
»Und warum bist du manchmal Adnarel und siehst aus wie jetzt, und dann wieder nimmst du die Gestalt eines Mistkäfers an?«
»Ich fürchte, das verstehst du nicht«, sagte Adnarel. »Der Skarabäus ist mein irdischer Gastgeber.«
»Wozu brauchst du einen irdischen Gastgeber?«
Adnarel seufzte. »Siehst du, du kannst das nicht verstehen.«
»He!« Sandy war gekränkt. »Dennys und ich gelten vielleicht nicht gerade als die Genies unserer Familie, aber deshalb sind wir noch lange keine Vollidioten.«
»Nun gut«, sagte Adnarel. »Ich nehme an, du weißt, daß Masse und Energie vertauschbar sind.«
»Hör mal, unsere Eltern sind Wissenschaftler.«
»Andererseits lebst du in einer Zeit und in einer Gesellschaft, die meinesgleichen entweder vergessen hat oder die unsere Existenz abstreitet. Daher war es schwer, dich zu veranlassen, an das Einhorn zu glauben, solange dich nicht höchste Not dazu bewog.«
Unbewußt kratzte Sandy einen Hautstreifen vom Arm. »Und wenn du… wenn du in dem Skarabäus bist, verstehst du da alles, was wir sagen?«
»Gewiß.«
»Warum machst du dir dann die Mühe, wieder herauszukommen?«
»Wenn ich im Skarabäus bin, muß ich seine begrenzten Möglichkeiten hinnehmen.«Sandy resignierte. »Ich kann besser denken, wenn Dennys mir auf die Sprünge hilft. Wann werde ich ihn Wiedersehen?«
»Sobald er transportfähig ist. Großvater Lamech hat sich bereit erklärt, ihn bei euch aufzunehmen. Hier ist es weniger laut und eng als im großen Zelt.«
»Ihr seid alle sehr freundlich zu uns. Auch du.«
Adnarels Lächeln war so ernst, daß es eher einem Stirnrunzeln glich. »Wir wissen nicht, warum ihr gekommen seid. Eure Ankunft muß einen tiefen Sinn haben. Aber er ist uns verborgen.« Aus seinen Augen schossen goldene Blitze. »Kannst du ihn enträtseln?«
»Wenn ich das nur könnte!« stöhnte Sandy. »Meiner Meinung nach war alles nur dummer
Weitere Kostenlose Bücher