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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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gelehrt, und nur sie und Japheth, sie allein in Noahs Sippe, verstanden sich auf diese Gabe.
    Matred hielt das für Zeitverschwendung. Stets gab es im Zelt und am Herd für sie zu tun; wie sollte sie sich da um anderes kümmern?
    Yalith nahm ihr viel Arbeit ab, übernahm nun meist auch Mahlahs Pflichten, aber sie brauchte weiterhin auch Zeit für sich, Zeit, zu hören, was ihr die Sterne sagten. Vater hörte die eine Stimme im Weingarten. Sie aber, Yalith, war von zahllosen Stimmen umgeben. Stimmen, die darauf warteten, von ihr vernommen zu werden. Die erst verstummten, wenn die Vögel zum Morgenkonzert erwachten.
    Yalith war erfüllt. Erfüllt von Unbestimmtem. Von einer Vorahnung. Sie mußte den Morgen begrüßen. Auf die Stimmen hören.
    Und sie mußte an Matred und Noah denken. An den Den und den Sand. Und sie fragte sich, ob Matred wohl schon bemerkt hatte, daß sich Mahlahs Bauch wölbte. Mahlah, deren Verlöbnis mit dem Nephil die Mutter nicht wahrhaben wollte.
    So tief war Yalith in ihre Gedanken verstrickt, daß erst das mahnenden Zischen der Sterne ihre Aufmerksamkeit weckte.

Adnarel und der Quantensprung
    Y alith blickte auf und sah vor sich einen Kreis seltsamer Tiere. In der Mitte des Kreises stand Mahlah. Sie war blaß und verängstigt. Ihr schwarzes Haar bedeckte den Körper, ihre Brüste. Yalith wollte schreien, aufspringen, der Schwester zu Hilfe eilen. Aber ihr war, als hielte eine kräftige Hand ihr den Mund zu, als zwänge ein starker Arm sie zurück auf den Felsen.
    Die Schlange entrollte sich, spreizte die Haube, pendelte mit dem Leib wie zu unhörbarer Musik, wuchs immer höher empor, hinein in die Herrlichkeit lavendelfarbiger Flügel und Augen von Amethyst, Augen, in denen sich die Sterne spiegelten. »Ich, Ugiel, rufe meine Brüder. Naamah!«
    Der Aasgeier reckte den nackten Hals, entfaltete die großen schwarzen Schwingen, entpuppte sein weißes Gesicht mit den kohlschwarzen Augen.
    »Rofocal!«
    Das schrille Sirren der Stechmücke, und in der Wüste stand ein Nephil mit flammend roten Flügeln, mit Augen wie Granate.
    »Eisheth!«
    Das Krokodil sperrte den Rachen auf, zeigte die Reihen spitzer Zähne. Es schien sich selbst zu verschlingen und dabei einen schlanken, grün geflügelten Nephil mit Smaragdaugen auszuspeien.
    Yalith zitterte, als sie auch die Drachenechse erkannte.
    »Eblis!«
    In schrecklicher Schönheit brach er aus seinem Schuppenkleid.
    »Estael!«
    Der Kakerlak zerbarst, eine Staubwolke wirbelte auf, verzog sich, enthüllte den Nephil.
    »Ezequen!« Der Skink.
    »Negarsanel!« Der Floh.
    »Rugziel!« Der Wurm.
    »Rumael!« Die Schnecke.
    »Rumjal!« Die rote Ameise.
    »Ertrael!« Die Ratte.
    Eines nach dem anderen verwandelten sich die Tiere in weißhäutige Nephilim mit bunt schillernden Flügeln.
    Ugiel hob die Arme. »Ich, Ugiel, nehme im Beisein meiner Brüder, den Nephilim, Mahlah, die zweitjüngste Tochter des Noah und der Matred zum Weib.«
    Mahlah schritt ihm langsam entgegen. Seine mächtigen Flügel umfingen sie, hüllten sie ein.
    Yalith rang nach Atem. Auf ihrer Brust lastete ein schwerer Druck.
    Dann sah sie, daß sich rings um den Kreis der Nephilim ein zweiter Kreis bildete.
    Der Pelikan, der Tag für Tag das Wasser brachte, wuchs über sich hinaus und wurde zur großen, strahlenden Gestalt mit den silbernen Flügeln und dem Silberhaar. »Alarid!«
    Licht blitzte aus der schillernden Hülle des Skarabäus, golden schwangen die Flügel auf, wie poliertes Metall glänzte die Haut. »Adnarel!«
    Der Löwe mit der Zottelmähne richtete sich auf den Hintertatzen auf, streckte den Leib. »Aariel!« Goldene Flügelspitzen schimmerten im Abglanz der Sterne.
    Eine riesige Kobra, so goldhell, wie die Nephil-Schlange dunkel gewesen war. »Abasdarhon!«
    Einer nach dem anderen nannten die Seraphim ihren Namen und wandelten sich zu neuer Gestalt.
    Die goldene Fledermaus stieß aus der Luft herab. »Abdiel!«
    Die großen runden Augen der ruppigen weißen Eule weiteten sich. Mondblaue Schwingen grenzten an den Himmel. »Akatriel!«
    Ein weißer Leopard, schnell wie der Wind. »Abuzohar!«
    Eine Maus im pelzigen Fellkleid. »Achsah!«
    Ein Tiger im geduckten Sprung. »Adabiel!«
    Ein weißes Kamel, eine Giraffe, Seite an Seite. »Admael!« – »Adnachiel!«
    Und zuletzt flatterte eine Gans auf, und ihr weißes Gefieder wurde zu schneeweißen Schwingen. »Aalbiel!«
    Der Klang ihrer Namen gab Trost.
    Obgleich der Kreis der Seraphim jenen der Nephilim umschloß, stieß

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