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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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kleines Mädchen die Hände gegen die Wangen.
    Matred umarmte sie. »Hab ich es erraten?«
    »Ja. Du bekommst ein weiteres Enkelkind.«
    Sie hielten einander eng umschlungen und tanzten vor Freude.
    Eblis, die Drachenechse, wartete auf Yalith, die um Wasser zum Brunnen ging. Er war nicht in die Tiergestalt geschlüpft, sondern lehnte, eingehüllt in seine purpurfarbenen Flügel, am Stamm einer Königspalme, fast eins mit den Schatten.
    Als er auf Yalith zutrat, erschrak sie und hätte beinahe den Tonkrug fallen lassen, den sie auf der Schulter trug.
    Eblis griff nach dem kippenden Krug und stellte ihn auf den Boden. »Du wirst mit jedem Tag lieblicher.« Seine Fingerspitzen berührten ihre Wange.
    Yalith errötete und bückte sich nach dem Krug.
    »Laß mich helfen«, sagte Eblis. Als der Krug gefüllt war, faßte er sie wieder an, fuhr mit seinem blassen Finger dem Schwung ihrer Brauen nach. »Du weißt, daß Ugiel die Wahrheit sagte.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Auch das weißt du, mein Kleinod. Ja, du weißt es. Und ich bin die einzige Antwort auf deine Nöte.«
    Sie schaute ihn fragend an.
    »Ich will dich haben, Kleines. Ich will dich haben. Ich kann dir alles geben, was Ugiel deiner Schwester Mahlah gibt. Und sie ist glücklich mit ihm.«
    »Ja…«
    »Aber die beiden dummen Riesen, die dir mit ihrer Jugend den Kopf verdrehen, geben dir nichts, nur Tränen und Leid. Du kannst nicht zwischen ihnen wählen – und entscheidest du dich doch für den einen, was soll dann mit dem anderen geschehen?«
    »Sie haben mich nie gefragt, ob – ob ich…« Ihre Stimme erstarb.
    »Aber ich frage dich. Ich will dich haben.«
    Er neigte sich ihr zu, und plötzlich erfaßte sie nackte Angst. Ja, es war so, wie er gesagt hatte: Er wollte sie haben. Aber er liebte sie nicht.
    Mit beiden Händen packte sie den Krug und rannte davon, blindlings, ohne darauf zu achten, daß sie das Wasser verschüttete.

Mahlahs Zeit,
Lamechs Zeit
    E s war der heißeste Nachmittag, den die Zwillinge je hier erlebt hatten. Sandy erwachte aus bösen Träumen und sah, daß Dennys schweißüberströmt auf seinen Schlaffellen saß.
    Higgaion verbrachte die Zeit der Mittagsruhe stets bei Lamech. Nachts blieb er abwechselnd bei Sandy und Dennys, wenn er nicht, wie in den vergangenen Nächten, zu Großvater Lamechs Füßen ausharrte. Der Alte fror meist, weil sein Kreislauf so schwach war.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte Sandy.
    »Es ist schrecklich heiß.«
    Aus der Ferne kam leises Donnergrollen.
    »Das könnte Regen bedeuten«, sagte Sandy. Im ersten Augenblick dachte er nicht daran, daß dieser Regen vielleicht schon die Sintflut sein würde.
    Dennys reagierte nicht anders. »Er wird dem Garten und den Bäumen gut tun.«
    Wieder donnerte es, diesmal klang es wie ein splitternder Ast.
    Higgaion stakste zu ihnen, wimmerte leise, wies mit Kopf und Rüssel zu Großvater Lamechs Schlafstelle. Die beiden Jungen standen auf. Die Zeltklappe war hochgesteckt, damit Luft durchziehen konnte; aber die Luft roch jetzt nach Schwefel, und der Himmel war seltsam grünlichgelb.
    Sie hockten sich, einer rechts, einer links, an Lamechs Lager. Der Alte saß halb aufgerichtet, sein Kopf war auf gefaltete Felle gebettet. Dennys faßte nach seiner Hand und erschrak, so kalt war sie. Vorsichtig begann er die Finger zu massieren.
    Lamech öffnete die Augen und lächelte matt. Seine Stimme war leise, kaum noch zu vernehmen. »In eurer Zeit und bei euren Zelten – jenseits der Berge – ist es dort besser?«
    Sandy und Dennys schauten einander an.
    Sandy sagte: »Es ist… anders.«
    »Wie anders?« flüsterte Lamech.
    »Nun, die Menschen sind größer. Und sie leben nicht so lang.«
    »Wie lang?«
    Was Dennys nun sagte, klang ihm selbst wie ein Echo, längst vergessene, nun wiedergefundene Worte: »Unser Leben währet siebzig Jahre.«
    »Und wenn‘s hochkommt, so sind‘s achtzig«, ergänzte Sandy.
    Und Dennys sagte: »Wir haben große Krankenhäuser. Trotzdem glaube ich nicht, daß mich die moderne Medizin besser geheilt hätte als Yalith und O-holi-bamah.«
    Und Sandy sagte: »Wir haben Duschen und Waschmaschinen und Radios und Raketen und das Fernsehen und Düsenflugzeuge.«
    Dennys lächelte. »Aber mich trug ein weißes Kamel zu dir.«
    Lamech flüsterte so leise, daß die Zwillinge sich zu ihm beugen mußten, um seine Worte zu verstehen: »Und die Herzen der Menschen – sind sie reiner?«
    Sandy mußte an den Händler auf dem Markt denken, der ihm für Lamechs

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