Die große Flut
jede Antwort schuldig.«
Rofocal ragte in voller Größe vor ihr auf; noch im
Mondlicht schimmerten seine Flügel sonnenhell. »Irgend etwas muß er doch gesagt haben.«
»Daß sie von anderswo kommen und die ganze Sache nur ein Irrtum war.«
»Ein Irrtum?« fragte Rofocal. Sein Blick wurde undurchdringlich. »Sollte sich El einmal mehr geirrt haben?«
»Du meinst, El hätte die beiden hierher geschickt?«
»Wer sonst? Sie gehören gewiß nicht zu einem Nachbarvolk. Und sie könnten uns genauso gefährlich werden wie die Seraphim. Die achten wenigstens darauf, nicht in den Lauf der Dinge einzugreifen.«
»Haben die jungen Riesen das etwa vor?«
»Wer weiß. Konntest du ihm wirklich nichts entlocken?«
Tiglah reckte trotzig das Kinn. »Immerhin ging er heute mit mir in die Wüste.«
»Das stimmt. Und du hast ihn geküßt?«
Sie nickte. »Er schmeckt so jung. So jung wie der frühe Morgen.«
»Hat es ihm gefallen?«
»Ja. Aber eben als ich dachte, jetzt läßt er sich endlich mit mir ein, wich er zurück. Gib mir ein bißchen Zeit, Rofocal. Was durfte ich beim ersten Mal schon viel erwarten?«
Mit einer raschen Bewegung kniete sich Rofocal vor sie hin, so daß ihre Augen auf gleicher Höhe lagen. »Du mußt dich beeilen, meine kleine Tiglah.«
»Warum? Warum muß plötzlich alles so schnell gehen?«
Rofocal fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Unsere Macht ist geschwächt. Wir können die Entwicklung der Dinge nicht mehr mit Bestimmtheit voraussehen. Noah dürfte Verdacht geschöpft haben. Er hat seine Söhne viel zu jung und überhastet verheiratet. Und er spricht nach wie vor mit dem Einen, dem wir den Rücken gekehrt haben. Kann sein, daß uns keine hundert Jahre mehr bleiben.«
»Aber warum verlangst du von mir, daß ich den jungen Riesen verführe?«
»Brächte ihn das nicht in deine – und meine – Gewalt?« Er zog sie an sich. »Was du mit dem nackten Riesen anstellst, macht dich für mich nicht weniger begehrenswert, mein Kleines. Ich mag es, wenn meine Frauen die Wonnen der Lust beherrschen.«
»Werde ich einmal dein Kind tragen?«
Er breitete die Flügel aus und hüllte sie in eine Flammenwolke ein. »Bald«, sagte er. »Bald.«
»Bald«, sagte O-holi-bamah. »Bald. Du mußt pressen, Mahlah. Fest pressen.«
»Bald«, versicherte auch Yalith. »Bald ist es soweit.«
Matred schwieg.
Mahlah lag auf einem Lager aus aufgestapelten Fellen und schrie. Matred faßte nach ihren hilflos ausgestreckten Händen und drückte zu, wenn die Wehen kamen.
»Es dauert zu lang«, flüsterte Yalith. »Sie hält das nicht durch.«
»Steh auf!« befahl Matred.
Mahlah stöhnte. »Ich – kann nicht. Kann – nicht. Aaah! Es soll kommen. Es soll endlich – kommen!«
»Steh auf!« wiederholte Matred. »Du mußt hocken.«
»Hab ich doch getan. Aber das hat mich müde gemacht.«
»Du hast genug gerastet.« Matreds Stimme war grob. »Helft ihr auf!«
Nur in gemeinsamer Anstrengung gelang es Yalith und O-holi-bamah, die widerstrebende Mahlah auf die Beine zu bringen.
»Hock dich hin«, sagte Matred. »Den Rumpf weiter vor. So. Und jetzt pressen. Pressen.«
»Der Mond geht unter«, sagte Yalith.
O-holi-bamah schaute Matred an. »Meine Mutter hat genauso gelitten. Und hat es überlebt.«
»Ja, meine Liebe«, sagte Matred. »Ich danke dir.« Zum ersten Mal hatte O-holi-bamah unumwunden zugegeben, die Tochter eines Nephils zu sein.
Der Mond ging unter. Die Sonne ging auf. In der engen Lehmhütte wurde es drückend heiß. Den vier Frauen rann der Schweiß über den Körper. Mahlahs Haar war so naß, als hätte man es in den Wasserkrug getaucht. Ihre Augen waren angstvoll geweitet. Sie stöhnte, schrie, heulte auf. Zwischendurch sank sie in einen erschöpften Dämmerschlaf, bis neue Wehen sie quälten.
Die Sonne sank.
»Du mußt dich wieder hinhocken«, befahl Matred.
Drei Nächte und drei Tage. Liegen, hocken, liegen. Stöhnen.
Sie stirbt, dachte Yalith. Sie erträgt es nicht länger.
»Bald«, sagte O-holi-bamah. »Jetzt kommt es wirklich bald. Du mußt fester pressen.«
Matreds Stimme war rauh vor Sorge. »Streng dich an, Mahlah. Streng dich an. Wir können das Kind nicht für dich auf die Welt bringen. Du mußt selbst etwas dazu tun.«
Zum vierten Mal ging der Mond auf.
»Du sollst pressenl« fuhr Matred sie an.
Ein langgezogenes, abgrundtiefes Stöhnen entrang sich Mahlahs Brust, schlimmer noch als alle Schreie.
»Jetzt. ]etzt!«
Mahlah stöhnte, als werde sie in Stücke
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