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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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Feigen zunächst nur die halbe Menge Linsen geben wollte und Sandys Protest mit Flüchen beantwortet hatte.
    Und Dennys überlegte, worin eigentlich der Unterschied zwischen Terroristen bestand, die ein Flugzeug kaperten, und Tiglahs Vater und Bruder, die ihn in die Jauchegrube geworfen hatten.
    »Die Menschen sind, wie sie sind«, sagte Sandy.
    »Das liegt wahrscheinlich an ihrer Natur«, meinte Dennys.
    Lamech streckte ihnen seine zitternden Hände entgegen. »Ihr aber seid wie mein eigen Fleisch und Blut.«
    Dennys drückte leicht die kalten Finger.
    »Wir haben dich lieb, Großvater Lamech«, sagte Sandy leise.»Und ich liebe euch, meine Söhne.« Er schwieg eine Weile. Flüsterte dann: »Els Worte sind rätselhaft. Ich verstehe sie nicht mehr. Seine Absicht ist mir unerklärlich.«
    Den Zwillingen erging es nicht besser.
    Blitz und Donner kamen zugleich. Die Wände des Zeltes erzitterten unter dem mächtigen Donnergrollen und dem nachfolgenden Beben der Erde.
    Aber kein Regen fiel.
    Die Zwillinge saßen auf ihrer Wurzelbank und warteten auf die ersten Sterne. Higgaion lag bei Großvater Lamech im Zelt. Der Himmel war noch immer gelblich gefärbt, aber das Gewitter hatte sich verzogen. Aus dem Krater des Vulkans züngelte Feuer. In den Bäumen schnatterten nervös die Paviane.
    Sandy spielte mit den Zehen im weichen Moos unter der Wurzel. »Wir haben noch nie an einem Totenbett gesessen.«
    »Nein.«
    »Heute nachmittag dachte ich, für Großvater Lamech sei das Ende gekommen.«
    Dennys schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er wollte uns bloß all die Fragen stellen, die ihn schon seit langem bedrängen.«
    »Ob er weiß, daß eine große Flut kommt?«
    »Das hat ihm dieser El, mit dem er immer spricht, wahrscheinlich angekündigt.«
    Sandy hob ein Palmblatt auf, betrachtete es eingehend im letzten Licht des Tages. »Aber die Flut war in Wirklichkeit nur eine Naturkatastrophe.«
    Wieder schüttelte Dennys den Kopf. »Primitive Völker schrieben solche Ereignisse stets dem Zorn der Götter zu.«
    »Und was meinst du?«
    »Gar nichts. Seit wir in der Oase sind, weiß ich weniger denn je.«
    »Jedenfalls hat sie nicht funktioniert«, stellte Sandy nüchtern fest.
    »Was hat nicht funktioniert?« »Die Sintflut. Der Plan, alle Menschen auszurotten und noch einmal von vorn anzufangen. Wir sind mittlerweile zwar größer und gescheiter, aber wir fügen einander nur noch schlimmere Sachen zu.«
    Dennys nahm Sandy das Palmblatt aus der Hand. »Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mir nicht unbedingt Ham und Anah als die Keimzelle einer neuen Menschheit aussuchen.«
    »Ach, sie sind schon in Ordnung«, sagte Sandy. »Auch Sem und Elisheba. Keine großen Leuchten, immerhin solider Durchschnitt. Und Japheth und O-holi-bamah sind sogar ganz prima.«
    »Trotzdem. Wie du sagst: es hat nicht funktioniert.«
    »Vielleicht hätte keiner überleben dürfen.«
    Dennys widersprach ihm. »Wären alle ersoffen und die Erde menschenleer geblieben, hätte auch Jesus nicht geboren werden können.«
    Plötzlich rümpfte Sandy die Nase. Der unangenehme Duft war ihm bereits vertraut. »Pst!«
    »Was ist?«
    »Schau selbst!« Ein Schatten huschte über den Weg, näherte sich ihnen. »Tiglah.«
    »Sie ist hartnäckig«, brummte Dennys.
    Wenigstens hatte Tiglah mittlerweile gelernt, daß sie Dennys nicht anfassen durfte. Sie gab sich unterwürfig und schlug die Augen nieder, was ihre vollen, langen Wimpern um so wirkungsvoller zur Geltung brachte, stützte sich wie unabsichtlich auf Sandy, sagte: »Jetzt ist der Abend doch noch schön geworden.«
    Dennys fühlte sich von der penetranten Mischung aus Schweißgeruch und Parfümduft angewidert.
    »Einigermaßen schön«, sagte Sandy und betrachtete zweifelnd den zuckenden gelben Schimmer am Horizont.
    Tiglah sagte: »Ich dachte, es würde euch interessieren, daß Mahlah heute nacht ihr Kind bekommt.«
    »Woher weißt du das?« fragte Dennys.
    »Rofocal hat es mir verraten.«
    »Und woher weiß er es?« bohrte Sandy weiter.
    »Er und Ugiel sind Freunde. Yalith und O-holi-bamah werden ihr zur Seite stehen.«
    Dennys nickte. »Oholi ist bestimmt eine gute Hebamme. «
    »Man erzählt sich, daß sie ihrer Mutter bei der Geburt ziemlich zu schaffen machte«, sagte Tiglah zögernd. »Ein Nephil ist meist besonders groß und schwer.«
    Dennys schaute sie scharf an. »Beunruhigt dich das?«
    »Es könnte eines Tages mich treffen. Hoffentlich geht mit Mahlah alles leicht. Sie ist so zart. Wie ich.«
    »Nun

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