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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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graziös wie Yalith, aber immerhin, ohne sich zu bekleckern. Tiglah kochte recht gut. Das Fleisch war scharf gewürzt, aber weich. Als er aufgegessen und die Schüssel blankgewischt hatte, fühlte er sich besser.
    »Ich muß dich wieder fesseln«, sagte sie bedauernd. »Sie dürfen gar nicht erfahren, daß ich dich überhaupt losgebunden habe.«
    »Wer sind sie?«
    »Nun ja, die Männer im Zelt meines Vaters.«
    »Und was soll das Ganze?«
    »Was?«
    »Meine Entführung. Und daß ich in diesem stinkenden Zelt festgehalten werde.«
    Sie zuckte die Schultern und kicherte. »Woher soll ich das wissen? Sie hecken immer irgend etwas aus.«
    »Du nicht?«
    »Ich bin nur ein Mädchen.« Es klang geradezu empört. »Ich mag dich. Warum sollte ich dich fesseln wollen?«
    »Dann laß es bleiben.«
    Sie hielt die Riemen in der Hand. »Das darf ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Sie würden wütend werden. Und mich schlagen. Vielleicht würden sie mich sogar töten.«
    Würden sie das wirklich? Sandy hatte da seine Zweifel.
    Aber er verstand jetzt, warum Dennys nichts mit Tiglah zu tun haben wollte. »Wie lange wollen sie mich hier behalten? Und was versprechen sie sich davon?«
    »Noahs Weingärten.«
    »Was?«
    »Noahs Weingärten. Es sind die besten in der ganzen Oase.«
    »Deine Leute sind verrückt. Nie und nimmer gibt Noah seine Weingärten her. Er lebt schließlich vom Weinbau.«
    »Er wird es tun müssen«, sagte Tiglah. »Sonst bringt man dich um.«
    Zornig sprang Sandy auf, stieß sich am Zeltdach den Kopf an. »Wissen sie denn nicht, daß Großvater Lamech im Sterben liegt – vielleicht sogar schon gestorben ist?«
    »Doch.«
    »Sie sind Ungeheuer.«
    »Sie sind klug. Sie wissen, daß sich jetzt alle um den dummen Lamech kümmern und keiner an dich denkt. Sie sind sehr klug.«
    »Das sind sie nicht«, widersprach Sandy. »Niemand gibt Terroristen nach. Noah wird seine Weingärten nicht abtreten. «
    »Dann mußt du sterben.«
    »Und was habt ihr davon? Ihr halst euch einen Mord auf, und die Weingärten könnt ihr trotzdem abschreiben.«
    »Oh, Sand. Setz dich. Dieses Zelt ist nicht für Riesen gebaut. Es tut mir leid, daß ich dich wieder fesseln muß, aber mir bleibt keine andere Wahl. Außer…«
    »Außer?«
    »Du kommst mit mir.«
    »Was würde deine Familie dazu sagen?«
    »Sie würden mich verfluchen. Aber ich liebe dich mehr als sie.«
    Sandy glaubte ihr kein Wort. Sie wollte ihn bloß in eine Falle locken. Hinter der ganzen Sache steckten bestimmt die Nephilim, vor allem Rofocal, die Stechmücke. Warum aber? Jedenfalls würde Tiglah nie ihm zuliebe ihre Familie verärgern. Sie liebte ihn nicht. Sie gehörte Rofocal und mußte ihm gehorchen.
    Er spürte einen Stich und schlug zu. Zu spät, der Moskito schwirrte aus dem Zelt. Wütend kratzte er sich an der schmerzenden Stelle. »Also gut«, knurrte er, »fessele mich, und dann verschwinde.«
    Sie legte ihre Wange an die seine. »Du willst nicht mit mir kommen?«
    »Nein.«
    »Du setzt lieber dein Leben aufs Spiel?«
    Er mußte unwillkürlich grinsen. »Das tut ihr alle.« Er lachte, weil Tiglah nicht ahnen konnte, was er ihr damit verraten hatte.
    »Noch habe ich dich nicht gefesselt…« flüsterte sie.
    »Nein.«
    »Du bist ein Riese. Du könntest mich packen und mit mir davonlaufen. Dann könntest du ihnen drohen, mich umzubringen, falls sie versuchen sollten, dich noch einmal einzufangen.«
    Das klang verlockend. Aber nur für den Augenblick. Gewalt zog bloß Gewalt nach sich. Und selbst, wenn Tiglah ihm das Angebot ohne Hintergedanken gemacht hatte, war das Ganze nur ein übler Trick. In der Wüste gab es kein Überleben. Er schüttelte den Kopf.
    Sie verzog den Mund. »Und ich dachte, du magst mich.« So beleidigt war sie, daß sie die Riemen besonders fest anzog, ehe sie ging und die Zeltklappe hinter sich zufallen ließ.
    Noah und seine Familie verließen Lamechs Grab und machten sich auf den Heimweg.
    »Die Sache gefällt mir nicht«, sagte Noah immer wieder. »Freiwillig geht der Sand bestimmt nicht fort.«
    Anah sagte: »Ich glaube, er ist bei meiner Schwester. Ja, ich glaube, er ist bei Tiglah.«
    Keiner sagte etwas darauf.
    Als sie Noahs Zelt erreichten, müde, besorgt, voll Unruhe, ging der Mond unter.
    »Erst wird gegessen«, sagte Matred. »Dann sehen wir weiter.«
    Noah stimmte ihr zu. »Sie hat recht. Komm, Den.«
    Dennys schlürfte die Brühe, die Matred ihm reichte. Er mußte sich stärken, Kraft sammeln für das, was ihm bevorstand.
    Sem

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