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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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auf und fragte leise: »Ihr seid in Sorge?«
    Die beiden nickten ernst.
    Sandy schlief unruhig, wurde von Alpträumen geplagt: Tiglah zwang ihn, verdorbenes Fleisch zu essen. Der Geruch drang ihm in die Nase.
    Er erwachte. Es roch weder nach Tiglah noch nach Ziegenfleisch, sondern nach... Er öffnete die Augen. Ein Mammut stubste ihn vorsichtig mit der Rüsselspitze an.
    Das war nicht Higgaion, nicht Selah. Das war ein mageres, unterernährtes Mammut. Das Fell ungepflegt. Ein Stoßzahn am Ansatz abgebrochen.
    Was wollte das Tier von ihm? Es war offensichtlich nicht in böser Absicht gekommen. Er streichelte es, kraulte seine verfilzte Mähne. Das Mammut war eindeutig mißhandelt worden. Also kam es wahrscheinlich aus Tiglahs Zelt.
    Sandy war froh, nicht mehr allein zu sein. Vielleicht konnte ihm das Mammut helfen, Noahs Zelt zu finden.
    »Ach, du«, sagte er und kniff das Tier zärtlich in die großen Ohren. »Wenn ich jetzt ein Einhorn hätte, wäre ich längst fort.« Er unterbrach sich. »He! Warum habe ich nicht schon früher daran gedacht?« Überlegte. »Weil ich eben noch immer nicht so recht an Einhörner glaube.«
    Dennys, fiel ihm ein, hatte sich ein Einhorn herbeigedacht, als Tiglahs Leute ihn in die Jauchegrube geworfen hatten. Auch Dennys war es schwergefallen, an die Existenz von Einhörnern zu glauben; aber wenn es sein mußte, überwand er eben seine Zweifel. Warum sollte er, Sandy, das nicht ebenfalls können? Was war schon so schwer daran, sich ein Einhorn vorzustellen, und sei es nur ein virtuelles? Seine Mutter, eine nüchtern denkende Wissenschaftlerin, glaubte ja auch an virtuelle Partikel.
    »Was soll ich denn machen?« fragte er das Mammut. Es schmiegte sich enger an ihn.
    Verließ Sandy das Zelt, würden sie ihm draußen auflauern – wenn nicht Tiglahs Vater und Bruder, dann Rofocal – und ohne Zögern töten. Die Nächte waren hell, die Wüste bot kaum Deckung…
    »Das Dumme ist nur«, sagte Sandy zum Mammut, »daß ich die Dinge immer erst sehen muß, um an sie glauben zu können.«
    Das Mammut hob den Rüssel, berührte seine Wangen, und Sandy meinte fast, eine Stimme zu hören: »An manche Dinge muß man erst glauben, um sie sehen zu können.«
    »Einhorn!« flüsterte er, und das Mammut schob zutraulich den Rüssel in Sandys Hand. »Einhorn, bitte sei! Bitte versuche zu sein!«
    Ein Lichtblitz im dunklen Zelt, und zitternd stand das Einhorn vor ihm.
    »Und was jetzt?« flüsterte er. »Ich darf nicht aufhören, an dich zu glauben, sonst löst du dich wieder auf.«
    Er schlang einen Arm um das Einhorn, den anderen um das Mammut – und wartete.
    Die Nephilim versammelten sich. Stolz. Anmaßend. Flackerten beim Sprechen zwischen ihren Gestaltformen hin und her.
    Rofocal, die Stechmücke, sagte: »Ich habe ein Trugbild um das Zelt gelegt. Es steht im äußersten Winkel der Oase, dicht am Wüstenrand, aber das Trugbild
    macht, daß es von weidenden Herden und grünen Hainen umgeben scheint.«
    Eblis, die Drachenechse, fragte: »Sind die Zwillingsriesen solche Mühe wert?«
    Rofocal erwiderte: »Sie wissen etwas, das wir nicht wissen. Als ich den verhörte, den Tiglah mir einfing, wich er meinen Fragen aus.«
    Ugiel, die Schlange, sagte: »Es liegt Gefahr in der Luft. Die Sterne ziehen sich zurück. Ich fürchte um mein Kind.«
    Naamah, der Aasgeier, keckerte. »Kkkk, wir haben beschlossen, nie wieder mit El zu sprechen, nie wieder seine Stimme zu vernehmen.«
    Ertrael, die Ratte, pfiff: »Wir fragen die Seraphim.«
    »Nein!« protestierte Estael, der Kakerlak.
    »Aber sie sprechen nach wie vor mit El«, sagte Ertrael. »Mit El und mit den Sternen.«
    »Ich mag nicht auf die Sterne hören«, sagte Eisheth, das Krokodil, nachdrücklich.
    Rumjal, die rote Ameise, meinte: »Sie könnten uns verkünden, ob wir in Gefahr sind.«
    »Wie sollten wir in Gefahr sein?« fragte Eblis. »Wir sind unsterblich.«
    »Und der, den wir gefangen nahmen, ist ein Sterblicher«, bekräftigte Rofocal. »Behauptet er jedenfalls.«
    Naamah, der Aasgeier, klapperte mit dem Schnabel. »Ich wittere, daß es für uns bald viel Fraß geben wird.«
    »Wie das?« fragte Rofocal herrisch. »Was steht bevor?«
    »Weiß einer von euch, woran Noah zimmert?« mischte sich Elbis, die Drachenechse, ein.
    »Eine gute Frage«, sagte Rumael, die Schnecke.
    Rofocal lachte schrill. »Ein Schiff! Meine Tiglah berichtet, er baut ein Schiff.«
    »Ein Schiff?« wiederholte Rumael.
    »Ein Schiff?« rief Eisheth, das Krokodil. »Wozu, in

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