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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
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für die Maritime Oper , nein für die ganze Stadt! Ein Meilenstein für das gesamte Projekt! Ein Leuchtturm für das kulturelle Deutschland und die Kreativmetropole Bremen, und er, als Präsident des Senats, stehe nicht an zu sagen: Jetzt gibt es kein Zurück mehr! Und so weiter. Kaum hatte Alte keine vorbereitete Rede mehr – schon brachen Glabrechts Lieblingsvokabeln freiheitsberauscht aus dem überaus geringfügigen bürgermeisterlichen Geist hervor.
    Nach dem Fisch und vor dem Nachtisch kam ein musikalisches Interludium zur Aufführung, ein Stück für Soloklarinette. Es handelte sich um sogenannte »Neue Musik«, komponiert von einem angeblich weltbekannten Meister der avantgardistischen Musik, der übrigens auch als Philosoph Schule gemacht habe. Glabrecht klatschte nach den einführenden Worten von Senatorin Dr. Fröhlich, und er zog dabei die Augenbrauen nach oben, als könne er die Darbietung gar nicht abwarten. Der Solist am Instrument erzeugte zum Teil minutenlang gezogene und extrem schrille Töne, so, als verstärke jemand die Laute eines Zahnbohrers. Glabrecht hatte noch niemals etwas derart Schreckliches gehört. Musste man nicht gehirn- oder seelenkrank sein, jedenfalls vollkommen innerlich entleert und entmenschlicht, um sich so etwas freiwillig anzuhören? – Aber es reichte offenbar auch, ein Mitglied des Kulturbetriebs zu sein.
    Nach fünf Minuten beruhigte sich die Klarinette ein wenig, und das Kunstwerk schien am Ende zu sein. Zu Ende war jedoch lediglich der erste von vier Sätzen des Folterstücks. Relativ sinnerfüllt, wie Glabrecht gerade noch dank des Weines geworden war, litt er jetzt unter einer Art unerträglich potenzierter Langeweile und beobachtete den Sekundenzeiger seiner Armbanduhr, so, als könne er dadurch den Ablauf der Zeit und den Eintritt der erlösenden Stille beschleunigen. Aber würde er danach wesentlich glücklicher sein? Oder dann, wenn er endlich würde nach Hause fahren können? Oder wann denn überhaupt? – Im Grunde gingen ihm doch nahezu sämtliche Lebensabläufe und geradezu alles auf die Nerven. Eigentlich hatte er als sterblicher Mensch keine Zeit für solche Dinge. – Dieser Gedanke erstarb jedoch am Ende vor der frischen Sehnsuchtsoption namens Adriana.
    Das Problem war, dass die Ratsdiener wegen der Klarinette nicht nachschenken konnten. Außerdem verstärkte sich ein Eindruck, den er seit einiger Zeit hatte, dass es nämlich immer heißer wurde in diesem Raum. Sein Rücken schwitzte, auch um den Hodensack herum hatte sich die Hitze schrecklich gestaut, und noch schlimmer war es unter dem Hemdkragen und dem Krawattenknoten. Seit über zwanzig Minuten, die Glabrecht wie drei Stunden vorkamen, gab es keinen frischen Wein mehr. Er flüsterte Wissenschafts-Bohnhoff ins Ohr, er ginge lieber einen Tag als Häftling nach Guantanamo, als das hier noch länger zu ertragen – und er meine das völlig ernst. Bohnhoff hielt sich die Hand vor den Mund, um sein Grinsen zu verbergen.
    Endlich war die Qual überstanden. Bohnhoff und Glabrecht klatschten heftig und schauten sich dabei mit weit geöffneten Augen und sehr leichtem Grinsen an, um ihr verschwörerisches Einverständnis zu besiegeln.
    Der Abend zog sich bis elf Uhr hin, aber nirgendwo am Tisch wurde die MO noch einmal zum Thema. Es ging um die aktuellen Probleme von Werder Bremen, die neuesten Frauen diverser Promis und Politiker, die platzende Immobilienblase in Amerika, die Klimakatastrophe, um Wein und alternative Energien. Gegen halb elf schlief Hinnerk Vollmer ein. Sein Kiefer fiel nach unten, man sah, dass sich demnächst Speichel aus dem Mundwinkel auf den Weg über das Kinn nach unten machen würde. Ehe die anderen das alles bemerkten, bereinigte Frau Dreyer die Situation, indem sie Vollmers auf dem Tisch ruhende Hand umfasste und drückte. Vollmer schnarchte kurz auf, so, als würde ein kleines Schwein grunzen, und erwachte. Bald danach wurde er von Frau und Tochter abgeführt. Das war das Zeichen, auf das viele gewartet hatten, zumal Günter Grass schon vor über einer Stunde gegangen war. Endlich durfte Glabrecht Herrn Berlepsch aufwecken, der, wie üblich, auf seinem Sitz eingeschlafen war, und sich nach Hause fahren lassen.
    8.
    Marianne saß im Morgenmantel vor dem Fernseher, in dem irgendeine Spielfilmhandlung mit leisem Ton vor sich hin lief, und einer halbvollen Flasche Weißwein aus Glabrechts Vorrat. Dieses Szenario deutete darauf hin, dass heute Sex stattfinden sollte. Zwei-, dreimal im

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