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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
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dies hier war eines der zentralen Organe der weltweiten Geldwäsche, der Endpunkt eines der größten hidden money trails ! Und er, Glabrecht, sollte demnächst ein wenig von diesem Geld abbekommen.
    Erst später in der Rhätischen Bahn von Chur nach Davos verschwand Glabrechts Furcht. Er saß in einem Wagon erster Klasse, zusammen mit wenigen anderen Menschen. Bald würde der Zug Klosters erreichen. Die neuschneebedeckte Bergwelt zog vorüber. Nur ein paar kleine Wolken standen am tiefblauen Mittagshimmel über den Gipfeln. Glabrecht hatte sich einen Bündner Blauburgunder kommen lassen. Jetzt fühlte er sich gut. Mehrmals betastete er mit beiden Handflächen den eigenen Brustkorb und versicherte sich erfolgreich der stofflichen Realität seines Körpers. Seine gesamte Anwesenheit in der Welt wirkte plötzlich viel bedeutender als üblich. Sie füllte selbst den letzten Winkel des Wagons aus.
    Gehörte er nicht exakt hierhin, an diese Stelle, in diesen Zug, wie er durch die Alpen fuhr? Glabrecht trug eine Blase um sich, in deren Innenraum alles sehr einfach und in ein und dieselbe Richtung gestellt war, nämlich auf ihn selbst. Er machte sich den Spaß zu prüfen, ob die Grenzen dieser Blase, vielleicht in ein, zwei Metern Entfernung, erkennbar waren, zum Beispiel an einem leichten Flimmern der Luft. Innerhalb des klaren Raumes gab es jedenfalls ein allgemein respektiertes Existenzrecht, was vor allem seinen Kopf mit dem Gesicht betraf. Er hatte keine Sorgen um dessen Zustand, seine Altersspuren und seinen aktuellen Ausdruck, und wenn sich Glabrecht nicht irrte, verlieh ihm diese Sorglosigkeit die größtmögliche Attraktivität, zu der er überhaupt fähig war. Hoffentlich würde sich dieser Zustand konservieren, bis er Adriana sah. Er wollte sie doch sehen? Ja, jetzt wollte er sie sehen, unbedingt!
    Wie sie sich während der vergangenen Wochen per Telefon, SMS und E-Mail aufeinander zu bewegt, aneinander orientiert, ihrer beider Dasein aufeinander bezogen hatten, das hatte Glabrecht niemals zuvor erlebt. Aber war diese Intimität der Worte tatsächlich angemessen, wenn man bedachte, wie kurz die tatsächliche körperliche Nähe zwischen ihnen gewesen war, wie lange das bereits zurücklag? War dieser vorpreschende Glückswille nicht vollkommen kindisch und albern?
    Immer dann, wenn sich Glabrecht, zum Beispiel angesichts einer mitternächtlich gesendeten Sehnsuchts-SMS, Hysterie vorgehalten und sich diesen lächerlichen Liebesdialog hatte verbieten wollen, der da quasi aus dem Nichts entstanden war und sich an sich selbst berauschte, hatte Adriana eine neue Schaufel Kohlen in die Flammen geschippt.
    Zuletzt, am vergangenen Sonntagmorgen, nach einem langen nächtlichen Telefonat mit scheinbar spielerischen Plänen von gemeinsamen Reisen, gemeinsam bewohnten Häusern am Meer und so weiter, hatte sie Glabrecht drei Nacktfotos von sich geschickt. Eines, offenbar mit Selbstauslöser fotografiert, zeigte sie ausgestreckt auf dem Bett. Da waren sie also, ihre Brüste, und einen Augenblick lang hatte sich Glabrecht darüber gewundert, dass sie tatsächlich existierten. Sie lagen etwas müde auf dem Oberkörper, und dadurch, dass Adriana die Arme nach oben gestreckt und die Hände unter dem Hinterkopf gefaltet hatte, dass sie außerdem lachte und in die Kamera schaute, wirkte das alles unerhört schlüpfrig und sozusagen empfangsbereit, auch wenn von Adrianas Geschlechtsapparat lediglich der schmal rasierte Streifen ihrer Schamhaare auf dem Venushügel zu sehen war.
    Ganz plötzlich, nur eine Woche vor dem geplanten Treffen in Davos, hatte also die Geilheit das Feld betreten, und Glabrecht bewunderte Adrianas Gespür für den Zeitpunkt und für die Leichtigkeit, die dieses Foto in ihm erzeugt hatte.
    Aber war damit nicht auch der Anfang vom Ende ihrer erotischen Beziehung gesetzt? Auch dann, wenn dieses Ende sich über Jahre hinziehen würde? Plötzlich hatte er leise gestöhnt und ein paar Sekunden gewartet, bis er das zweite Foto lud.
    Auf dem sah er Adrianas nackten Oberkörper im Spiegel. Die Haare waren offen und wirr, das Gesicht ernst, die Augen zur Seite hin gedreht. Die Hände fanden sich vor dem Magen, um die Kamera zu halten.
    Das dritte Foto zeigte Adriana von hinten, mit äußerster Nacktheit vor dem offenen Fenster stehend, leicht nach vorne gebeugt, die Arme angehoben, um die Fensterflügel festhalten zu können. Im Gegenlicht war ihr Rücken dunkel, und Glabrecht musste das Foto zunächst aufhellen, um das

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