Die große Verschwendung
Stiftung möchte Sie gern als ihren gelegentlichen Berater gewinnen. Es ginge vor allem um Projektbegutachtungen, aber auch um Tagungsbeiträge, Reden, alles Dinge, die wir Ihnen, Ihrem Renommee angemessen, über unsere Hausbank, die Schweizer Zergerbank , honorieren würden. Das ist, auch nach dem strengen deutschen Recht, vollkommen mit Ihrer senatorischen Tätigkeit zu vereinbaren und durch und durch legal. Auch zeitlich würden wir Sie nicht über Gebühr fordern. Wir könnten das jeweils im Einzelfall regeln. Denken Sie, lieber Herr Senator, auch an Ihre Zukunft! Vielleicht wollen Sie nicht für alle Zeit Politiker bleiben.«
Etwas war Glabrecht den Rücken hoch gestiegen, eine Erregung, ähnlich diesem Kribbeln, dieser Sauerstoffdusche, die er nach sieben, acht Laufkilometern spürte – den Rücken kroch es hinauf in den Hinterkopf und setzte sich dort fest. Mein Gott, eine gemeinnützige Stiftung in Liechtenstein – mit der Zergerbank als Hausbank! Mavenkurt musste sich im Klaren darüber sein, was Glabrecht über derartige Konstruktionen wusste.
Mavenkurt empfing seinen Blick. Er zeigte jetzt Mienenspiel, zog seine Augenbrauen leicht nach oben und imitierte auf diese Weise Glabrechts offenbar fragenden Gesichtsausdruck, lächelte dann, aber nicht höhnisch, sondern durchaus warm. Ganz menschlich war das alles, ein ganz normales Geschäftsgespräch.
»Urteilen Sie bitte nicht zu schnell! Ich werde Ihnen in den kommenden Tagen unsere Satzung zuschicken und unsere Arbeitsberichte aus den letzten drei Jahren. Ich glaube fest daran, dass unsere Arbeit Ihnen gefallen wird.«
2.
In der ersten Senatssitzung im gerade angebrochenen neuen Jahr gab der Bremer Senat endlich grünes Licht für das Hafenprojekt. Fred Bohnhoff durfte noch einmal seine Bedenken formulieren, und er tat dies, inzwischen auf aussichtslosem Posten, in sehr milder Form. Anschließend stimmte er mit den Kollegen für die Verträge, die Ende des Monats in Anwesenheit der Presse unterzeichnet würden. Vorher würde Glabrecht in die Schweiz fliegen, um in Davos Dr. Mavenkurt zu treffen. Zu einem letzten Abstimmungsgespräch, hieß es, auf informeller Ebene, das aber lediglich den vorzubereitenden gemeinsamen Presseerklärungen gelten würde.
Was außerdem geschehen würde: Fast vier Monate nach Oslo würde Glabrecht endlich mit Adriana zusammenkommen. Mavenkurt hatte Glabrecht empfohlen, die Skiklamotten mitzubringen. Glabrecht würde Freitagmorgen nach Zürich fliegen, bis zum folgenden Montag war er im Hotel Flüela in Davos eingebucht, selbstverständlich auf Kosten der Nordic Urban Development .
Vom Züricher Flughafen nahm er die S-Bahn zum Hauptbahnhof. Der Himmel war grau verhangen, Haufen aus braunem Matsch zeigten, dass vor nicht allzu langer Zeit Schnee gefallen war. Die feuchte Bahnhofshalle, diesen zugigen, unschweizerisch verwahrlost wirkenden Ort, durchmaß Glabrecht in einer Art Slalom, um nicht in die zahlreich vorhandenen Placken aus Rotze und Lungenauswurf treten zu müssen. Seinen Trolley mit der Wäsche für drei Tage und seinen Skiklamotten verwahrte er in einem Schließfach. Der Zug nach Chur würde erst in einer dreiviertel Stunde fahren, eine Wartezeit, die Glabrecht dazu nutzen wollte, um sich die weltbekannte Zentrale der mächtigen Zergerbank in der Bahnhofstraße anzuschauen. Während des kurzen Fußmarsches quälten ihn das an- und abschwellende Geräusch der Autoreifen auf der nassen Straße mit den Schneeresten, die vollgesogenen Ledersohlen unter seinen Füßen, die ganze wintergraue Hässlichkeit der Stadt. Das lag an der Übermüdung, sagte er sich, leider ohne dadurch die Angst merklich senken zu können, die ihn wegen des bevorstehenden Treffens mit Adriana beherrschte. Aus irgendeinem Grund bezweifelte er, dass sie überhaupt kommen würde. Oder hoffte er sogar darauf, dass sie nicht käme? Je länger sich Glabrecht diese Frage stellte, umso unsicherer wurde die Antwort, die er sich hätte geben müssen.
Die Zentrale des größten Vermögensverwalters der Welt, der sich gerade im hochnotpeinlichen Schwitzkasten der schärfsten Hunde der US-Finanzaufsicht befand, nämlich des Permanent Subcommittee on Investigations , wirkte solide und bescheiden. Glabrecht durchschritt den zwischen zwei Säulen eingepassten Haupteingang und stand danach ein paar Sekunden regungslos auf dem Schachbrettboden der Schalterhalle, ehe er den Rückweg zum Bahnhof antrat. Das also war das Reich der Crawfields und Mavenkurts,
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