Die große Verschwendung
repräsentierte eine relativ neue Gewohnheit, die ihm Freude bereitete, weil der Wein niemals besser schmeckte als nach einem langen Lauf in der Frühabendstunde. Jedenfalls war dies der Gedanke, der den vorgezogenen Beginn der Alkoholzufuhr legitimieren sollte.
Das Verhältnis zwischen den Ehepartnern hatte sich in den letzten Monaten weiter abgekühlt. Seit Wochen ackerte Marianne abends im Garten und schaute Glabrecht, wenn sie ins Haus kam und er anwesend war, mit unfreundlicher Miene an. Die Trauer um das kürzliche Verschwinden der schwarzen Lucie hatte die beiden einander zwar ein bisschen näher gebracht, aber der jüngste eheliche Sexualakt war jener Teppichfick aus dem Herbst des vergangenen Jahres gewesen. Seit den ersten Nächten mit Adriana war es Glabrecht unmöglich, diese Angelegenheit mit seiner Frau zu betreiben. Zweimal hatte er sein pneumatisches Versagen auf den Alkohol geschoben, was den Zorn Mariannes auf seine Rotweinvorräte gesteigert hatte.
Sie schaute ihm in die Augen, als er die Küche betrat, und hatte etwas Ruhig-Entschlossenes im Blick, das ihn warnte. Offensichtlich hatte sie auf ihn gewartet. Ihre Ansprache begann sie in einer Weise, als habe sie ihre Formulierungen seit ewiger Zeit fertig in sich getragen – ohne jede einleitende Phrase, flüssig, wie auswendig gelernt.
»Glabrecht, hör mir genau zu. Du bist immer noch der attraktivste Kerl, den ich mir wünschen kann, aber ich bin einfach an deiner Negativität zerbrochen. Es ist so – ja, das Leben wird einfach freudloser, wenn ich mit dir zusammen bin. Manchmal habe ich den Eindruck, von dir geht das richtig körperlich aus, wie ein Unterdruck, in dem alle positiven Lebensgefühle verschwinden. Nichts kannst du stehen lassen, wie es ist. Sofort musst du den Kern bloßlegen, und dort findet man nun mal häufig die Lebenslügen und die Heuchelei. Und auch den Tod natürlich. Diese Härte, wie kannst du damit leben?«
Er hatte mit Spott über seine Sauferei gerechnet, damit, dass sie ihm vorwerfen würde, sich um nichts anderes so sehr wie um seine Weinvorräte zu kümmern, zumal er in der Tat wieder eine größere Lieferung erhalten hatte, die noch unsortiert in der Garage stand und den Druck auf die übrigen Lagerstätten erhöhte. Aber dies, was Marianne hier sagte, das traf auf einen sehr alten Resonanzboden, der nun sofort dumpf und bedrohlich zu schwingen begann. Das waren Sätze, wie er sie, sehr ähnlich formuliert, bereits ein paarmal im Leben und zwar ausnahmslos von Frauen gehört hatte, zum Beispiel aus dem Mund von Theresa, in der Zeit, bevor sie ihn verließ.
Nein, dagegen konnte er sich nicht wehren, denn es waren seine eigenen Vorwürfe gegen sich selbst, die da laut wurden, es war die Peitsche, die er oft genug gegen sich selbst gerichtet hatte. Und er erkannte noch etwas anderes wieder: dass er nämlich neben dem Schmerz auch einen erleichternden Impuls von Resignation spürte. Etwas in ihm schrie ungefähr das Folgende: »Alles, was ich versucht habe, war vergebens, all mein Bemühen, besser zu werden. Wenn ich tatsächlich so bin, wie du sagst, dann geh doch weg, dann bin ich eben allein, und dann bin ich froh darüber, allein zu sein, und es ist in Ordnung.«
»Ich bin nun mal ziemlich desillusioniert von allen Vorgängen«, sagte er plötzlich. Einen Arm hatte er auf die Anrichte gestützt. Marianne befand sich in zwei Metern Entfernung von ihm.
»Vom Weintrinken mal abgesehen«, sagte sie.
»Wenn du so willst, ja!«, sagte er. »Ich kann die Dinge nun mal nicht harmlos betrachten. Ich wollte, ich könnte es. Offenbar muss ich alles verstehen, vielleicht liegt es daran. Es gab Zeiten, da fandest du das ziemlich anziehend an mir. – Im Übrigen: Was ist denn in dir zerbrochen?«
Glabrecht war allmählich zorniger und lauter geworden. »Was ist denn an mir plötzlich so schlimm geworden? Und, überhaupt, wie kommst du denn gerade jetzt auf das alles? Meinst du, mir macht diese Ehe noch einen Riesenspaß?«
»Ich komme nicht jetzt auf das alles, das weißt du genau.« Marianne sprach in dem Maß leiser, in dem ihr Mann heftiger geworden war.
»Aber es gibt immer weniger Grund, es für mich zu behalten. Mich widert deine Kälte an, du lebst und säufst hier neben mir her. Du säufst, trainierst, sitzt vor deinem Rechner, und die restliche Zeit spielst du den Senator. Ich spüre nichts mehr außer deiner Verachtung. Hast du eigentlich eine Geliebte? Vielleicht in Hamburg?«
»Leider nein«, sagte
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