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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
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Hause, ruf an! Alles Liebe von Adriana.«
    Er benutzte sein Festnetztelefon, tippte die Nummer ein, die er auswendig wusste und vorsichtshalber nicht gespeichert vorrätig hielt.
    »Georg!«
    Sie war sofort am Apparat.
    »Glabrecht«, sagte er, »bei euch regnet es?«
    Er hatte seine gesamte Sprechroutine abgerufen, um jeden Anflug von Lallen aus den ersten Wörtern fern zu halten.
    »Ja. Das gefällt mir. Ich liege auf der Couch und höre dem Regen zu«, sagte sie ungewöhnlich flüssig. Ihre Stimme war heiter, aufgekratzt und jung, offenbar nicht in jenem Zustand, der dieses merkwürdige »ja« erzeugt hätte.
    »Mairegen. Herrlich!«, sagte sie. »Was machst du gerade?«
    »Ich war laufen, und als ich zurückkam, hat Marianne mir mitgeteilt, dass sie mich verlassen will.«
    »Oh!« – »Weiß sie was von uns?«
    »Nein. Es ist wohl eher so, dass ihr der Zustand unserer Ehe in letzter Zeit klarer geworden ist. Das kann durchaus mit dir zu tun haben, vielmehr damit, dass ich mich noch weniger als früher darum bemühe, ein Eheleben zu simulieren.«
    »Und – wie ist jetzt die Stimmung? Leidet sie? Und du, Georg? Was – ist mit dir?«
    Erst diesen letzten kleinen Satz hatte Adriana ein wenig verschleppt, in der Art, wie Glabrecht es von ihr kannte. Wieso blieb sie so ruhig? Nicht, dass er irgendetwas Besonderes erwartet hatte, etwa eine große Emotion oder einen merklichen Ausdruck von Freude. Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, wie sie reagieren könnte.
    »Wir sind wohl beide froh darüber, dass der Punkt gekommen ist.«
    »Dann kann ich dich ja in Zukunft zu Hause besuchen«, sagte Adriana und lachte. »Du musst etwas für uns kochen. Ich kann nicht kochen, aber ich kann dir zugucken und Hilfsarbeiten übernehmen.«
    »Adriana!«, sagte Glabrecht und schwieg.
    »Georg?«
    »Darf ich über etwas sprechen, das mich bedrückt?«
    Glabrechts Stimme kam völlig belegt aus ihm heraus. Während der kurzen Zeit, die er für die Frage benötigte, hatte sich sein Herzschlag beschleunigt. Sein Mund war ausgetrocknet, die Angst saß ihm zwischen den Rippen.
    »Georg«, sagte Adriana, jetzt plötzlich leise und verdunkelt, »wollen wir es nicht unkompliziert lassen?«
    »Läuft da immer noch etwas zwischen dir und Crawfield?«
    Adriana blies ihren Atem in den Hörer. »Es ist eine Zeit lang etwas gewesen. Am Anfang war ich wohl sehr verliebt. Jetzt gibt es dich.«
    »Wieso hast du mir das nicht gesagt?«
    »Aber ich habe dir das gesagt, und ich hätte es auch ausführlich erklärt. In Davos, als ich von der Nacht in der Karibik geredet habe: Ich wollte eigentlich weiter erzählen, aber du hast dermaßen heftig reagiert. Es hat mir so leid getan, ich konnte nicht. Und später … ich weiß nicht.«
    »Ich meine …«
    Glabrecht klang jetzt heiser, gebrochen, die Wörter wehrten sich dagegen, gebildet und geredet zu werden. In der Tat hatte er es die ganze Zeit über von sich weggeschoben, was Adriana in Davos tatsächlich gesagt hatte, nämlich dass sie Crawfields Geliebte gewesen war! Er hatte es nicht wahrhaben wollen!
    »Ich wollte fragen: Bist du mit ihm zusammen?«
    »Georg, hör auf damit! Mach nicht alles kaputt. Ich glaube, du hast was getrunken, stimmt’s? Ich denke Tag und Nacht an dich, so viel, dass ich nicht schlafen kann vor lauter Panik.«
    »Wieso Panik?«
    Glabrechts Stimme und Stimmung hatten sich sofort erholt. Innerhalb einer einzigen Sekunde war das geschehen. Und was waren schon ein paar Ficks, vergangene Ficks? Vergangene Entgleisungen. Der andere hatte seinen Schwanz in sie hineingesteckt. Nichts war dabei zerstört worden.
    »Panik, weil es zu stark für mich ist, zu heftig«, sagte Adriana. »Du musst etwas wissen, aber ich weiß, dass du es nicht glauben wirst. Du bist ein Mann, der so etwas nicht glaubt, und das gefällt mir an dir. – Ja. – Ich kann in Wahrheit niemanden glücklich machen. Und ich glaube, ich habe selbst kein Talent zum Glück.«
    Glabrecht hatte diese Sätze verstanden, es war nicht schwer, sie zu verstehen. Ihre Grammatik war eine einfache. Seltsamerweise betrübten sie ihn keineswegs, ganz im Gegenteil. Er fühlte sich an einen bestimmten, verlässlichen Punkt in Adrianas Leben gestellt, wo es warm war, wo er hingehörte und wo niemand ihn würde ersetzen können.
    »Adriana, niemand kann doch einen anderen glücklich machen, jedenfalls nicht auf Dauer. Aber diese Abende, Davos, all das zwischen uns, natürlich hast du mich da glücklich gemacht, und glücklicher

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