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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
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paar Tagen war er erneut verschwunden.
    An diesem Morgen, als er durch sein Vorzimmer ging, befragte Glabrecht Frau Scholz, mit der er einige Male über den Mann gesprochen hatte: Sie berichtete, er sei in einem Krankenwagen weggefahren worden – mehr wusste sie nicht. »Schade«, sagte Glabrecht, »ich hatte mich an ihn gewöhnt.«
    Die Aufregung um die MO , um die ganze Maritime Erlebniswelt hatte sich etwas gelegt. Der steigende Ölpreis, die neuesten Alarmmeldungen des UN-Klimarats über die dramatische und zweifellos menschengemachte Erwärmung des Planeten, das alles hatte die ökologischen Maßnahmen für das Bauprojekt in den Vordergrund gespielt. Auch die Bremer Olympia-Bemühungen wurden stark diskutiert. Außerdem war, perfekt getimt, im März der alte Vollmer gestorben, als »Professor«. Diesen Titel hatte der Senat ihm und seiner Frau noch rechtzeitig verliehen. Am Grab hatte der Bürgermeister eine Variation des Nachrufs gesprochen, den Glabrecht auf seiner Festplatte liegen hatte. Postum war Vollmer – und seiner Frau gleich mit – während einer herzbewegenden Zeremonie im Festsaal des Rathauses außerdem die Ehrenbürgerschaft der Freien Hansestadt Bremen verliehen worden. In ihrer Dankesansprache hatte Frau Vollmer das Wort ausgesprochen, das man im vorigen Jahr noch vermieden hatte, das Wort »Vermächtnis«: Die Hinnerk und Irmgard Vollmer Stiftung für die Maritime Oper sei das großartige Vermächtnis ihres Mannes an die Bürger Bremens, sagte Frau Professor Vollmer aus ihrem rosinenhaften Kopf heraus. Diese Passage ihrer Rede wurde sogar in den Tagesthemen dokumentiert.
    Ö hatte verlautbart, dass die Gebäude konstruktiv auf einen Anstieg des Meeresspiegels vorbereitet würden, und die Presse hatte das fleißig abgedruckt. Eine Glosse des FAZ -Feuilletons hatte das Bild nur wenig getrübt. Der Artikel, überschrieben mit: »Kulturvolle Beobachtung des Meeresanstiegs«, bezog sich auf das Projekt von Kultursenatorin Dr. Fröhlich, nach Fertigstellung der Maritimen Erlebniswelt jährlich ein großes Kulturfestival dortselbst durchzuführen, für das Glabrecht den Namen Seawards erfunden hatte. John Crawfield hatte zugesagt, Seawards über seine Liechtensteiner Stiftung mit jährlich einer Million Euro zu unterstützen. Die Zustimmung des Stiftungsrats mit seinem neuen Mitglied Dr. Glabrecht war nur eine Formsache. Der FAZ -Schreiber schlug vor, die ganze Maritime Oper bei Bedarf hydraulisch anzuheben und zusätzlich Neoprenanzüge für die Geiger bereitzuhalten. Auch ließe sich über schwimmende Roulette-Tische im Casino nachdenken, und so weiter. Wie auch immer: Die Erdarbeiten für die MO würden in Kürze beginnen.
    7.
    Zweimal hatten Adriana und Glabrecht sich nach Davos in Hamburg getroffen. Die erste der beiden Fahrten konnte Glabrecht mit einer dienstlichen Verpflichtung erklären, die zweite galt angeblich einem kulturellen Anlass. Vermutlich hatte das überraschende Interesse ihres Mannes an einer samstagnachmittäglichen Vorstellung der Hamburgischen Staatsoper Marianne misstrauisch gemacht. Sie hatte das deutlich zu erkennen gegeben, obwohl er auch den fälligen Kauf bestimmter amerikanischer Schuhe erwähnt hatte, die er nur in Hamburg bekommen könne. Auf jeden Fall merkwürdig war es auch, dass er für die Fahrt nicht die Bahn oder die Senatskarosse, sondern seinen eigenen Wagen benutzt hatte, einen 1987er 911er Porsche , mit dem er ansonsten keine fünftausend Kilometer im Jahr zurücklegte.
    Man gab Porgy and Bess von Gershwin, und er hatte eigens den Wikipedia -Eintrag dazu studiert, um die Kurzauskunft, die er Marianne erteilte, glaubhaft klingen zu lassen.
    Hamburg wurde, im Unterschied zu Bremen, direkt von Oslo aus angeflogen. Adrianas Proteste missachtend, hatte Glabrecht die Tickets bezahlt. Es gab Momente, in denen er sich sagte, dass die beiden Hamburger Treffen in Wahrheit furchtbar gewesen waren: der peinliche Senator Dr. Glabrecht, ein älterer Herr, heftig vergeilt in eine junge Schönheit. In der Brieftasche trug er ein paar Hundert-Euroscheine aus einem Geldvorrat, den er zu Hause in seinem kleinen Uhrensafe gebunkert hatte. Diese Schatzbildung war, genau wie viele andere seiner persönlichen Merkwürdigkeiten, nicht etwa unbewusst über ihn gekommen. Er erinnerte sich sehr wohl daran, dass er als kleiner Junge einen Lieblingstraum hatte, der von einem winzigen Behältnis mit unermesslichen Reichtümern handelte, von denen nur er selbst etwas wusste. Um in das

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