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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
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Badezimmerspiegel hatte ihm die unauffällig verschönende Wirkung der Sonnenbank dokumentiert, wobei ihm aufgefallen war, dass sein Genital vergleichsweise viel stärker gebräunt war als der Restkörper. Das konnte nicht schaden!
    Er frotzelte mit Herrn Berlepsch, der heute Nachmittag zeitig Feierabend machen durfte, besuchte ein paar Referenten in ihren Büros, machte Witze, scherzte mit Frau Scholz und versprach ihr, endlich einmal Lilli mit ins Büro zu bringen, etwas, worum sie Glabrecht schon seit Wochen gebeten hatte. Ö, die ein paar Tage auf Sylt gewesen war, schenkte er ein launiges Kompliment. Man sehe ihr an, sagte er, wie attraktiv die Arbeit mit ihm mache.
    Kurz vor sechzehn Uhr fuhr Herr Berlepsch ihn zum Zug nach Hamburg, kurz nach zwanzig Uhr landete er planmäßig auf dem Oslo International Airport . Noch während des Flugs hatte er reichlich Protonenpumpenhemmer eingenommen, um sicher zu sein, dass das geplante späte Abendessen keine übermäßige Gasbildung in seinen Därmen hervorrufen würde. Um einundzwanzig Uhr würde er Adriana in einem der wenigen Restaurants Oslos treffen, das über internationales Renommee verfügte. Bereits vor Tagen hatte er einen Tisch reserviert.
    Als er die Tür öffnete, seinen leichten Mantel abgab und dabei Adriana anlächelte, wie sie am Tisch wartete, ihr Gesicht vom Kerzenschein verschönt, prüfte er unwillkürlich den Sitz der Scheine in seiner Sakko-Innentasche und spürte die Selbstsicherheit, die ihm zufloss und die es ihm leicht machte, wie ein Mann von Welt zu seiner Geliebten zu gehen. Es war ein Moment ganz unanzweifelbaren Glabrechtschen Glücks, als Adriana aufstand und ihn umarmte, ihn kurz auf den Mund küsste, als er die Hände zunächst auf ihre Schultern, dann sehr kurz in ihre Taille und auf die Hüftknochen legte, als er an diesen schönsten Orten des Kosmos die Wärme ihres Körpers spürte. Inmitten des Weltgeschehens befand er sich, er spürte den Fluss der Dinge. Er hatte das Recht, hier zu sein und zu tun, was er gerade tat.
    Kurz vor Mitternacht verließen sie das Lokal. Der Himmel im Osten war jetzt von durchsichtigem Schwarzblau, aber die Berge im Nordwesten der Stadt hoben sich immer noch von einem hellen Türkis ab. Derart klar und trocken war die Luft, dass Adrianas Hand, die Glabrecht leicht in der seinen hielt, sich anfühlte wie mit Seide überzogen. In ihm war eine kleine Furcht, als sie ins Taxi stiegen und zu Adrianas Wohnung fuhren. Es war der Gedanke, wie sehr er sich inzwischen wohl fühlte, bloß, weil er in ihrer Nähe sein durfte. Wo würde das hinführen? Aber musste es denn irgendwo hinführen? Madlé hatte ihm geraten, sich doch mit einer Affäre zufrieden zu geben, zu versuchen, alle Pläne aus seinem Kopf zu verbannen und im Übrigen ganz einfach Geduld zu haben. »Wenn du das denn schaffst«, hatte er lachend hinzugefügt, »was aber selbstverständlich nicht der Fall sein wird.«
    Glabrecht spürte Adrianas Zurückhaltung und war nicht überrascht von der beiderseitigen Abstinenz in der Nacht, in der geräumigen Wohnung Adrianas, zentral in einem alten Holzhaus gelegen. Warum nur hatte sie damals von einem »Apartment« gesprochen, das sie bewohne? Dafür hätte es sehr wohl eine schlüssige Erklärung gegeben, die Glabrecht aber nur kurz und von Ferne her ins Auge fasste.
    Eine verzweifelte Zufriedenheit herrschte am folgenden Tag in ihm. Zufrieden war er, weil es Adriana in seiner Nähe gab, verzweifelt, weil er ein gewisses fading zu spüren glaubte, einen leisen emotionalen Rückzug, das Verblassen seiner Hoffnungen. Vielleicht hätte er das Ende vorhersagen können, hätte er denn so etwas zugelassen.
    Sie waren mit der U-Bahn zum Nordmarka-Wald hinaufgefahren und wanderten seit mindestens einer Stunde. Immer weniger Menschen begegneten ihnen. Adriana hatte ein bestimmtes Ziel. Sie wollte Glabrecht etwas zeigen, eine schöne Stelle in der Natur. Gewiss spürte sie, was in ihm vorging, und vielleicht wusste sie auch seine überbordende Fröhlichkeit zu deuten, sein kindliches und kumpelhaftes Herumalbern, immer forcierter, je stärker seine innere Not wurde.
    Plötzlich verachtete sich Glabrecht wegen dieses Gehampels und zwang sich zur Ruhe. Wenn er innerlich seine Gefühle begründete – er tat das sehr häufig, weil es ihn ein wenig vom Fern-Sein erlöste und seinen Zustand rechtfertigte –, brachte er Adriana gern in eine elementare Nähe zur Natur und hob sie auf diese Weise ab von den künstlichen

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