Die große Volksverarsche
»Ego-Tex 100«. Und die Käufer der frisch gewaschenen und zertifizierten Klamotten aus Fernost? Die werden zu Helfershelfern in diesem schmutzigen Geschäft. Im Jahr 2011 kauften die Deutschen laut Greenpeace-Studie übrigens fast sechs Milliarden Kleidungsstücke und häuften nebenbei einen Textilmüllberg von einer Million Tonnen an. Und da in Kleidung viele Chemikalien erlaubt sind, die man anderswo längst aus dem Verkehr gezogen hat, sogenannte textile Ausrüststoffe für den Tragekomfort, gelangen diese bei jeder Wäsche, aber spätestens bei der Entsorgung auch in unser Ökosystem ...
Eigentlich müsste in jedes Kleidungsstück ein Fähnchen eingenäht werden, auf dem die enthaltenen Giftstoffe aufgelistet sind – zumal auch Luxusmarken wie Chanel und Prada nach wie vor voll auf dem Chemietrip sind. Angefangen bei den chemischen Keulen, mit denen die Baumwollfelder bombardiert werden (während die Arbeiter ohne jeglichen Schutz dort arbeiten), über die Farbstoffe bis hin zum extrem schädlichen Bleichprozess (z. B. für den Used-Look bei Jeans). Ein Giftcocktail, der alle belastet, die mit der Klamotte zu tun haben: Baumwollpflücker, Textilarbeiter, Verkäufer, die stolzen Kunden und die Umwelt.
KONSUMENTEN-NAVI
Setzen Sie ein Zeichen:
Verzichten Sie konsequent auf Kleidungsstücke mit dem Vermerk »Separat waschen«, »Vor dem Tragen waschen«, »Bügelfrei« oder »Knitterfrei«. Zumal diese besonders viele krebserregende und hormonell wirkende Giftstoffe enthalten dürften. Schwarze Textilien sind übrigens mit bis zu 400 teils extrem toxischen Chemikalien belastet.
Tipp:
Auf greenpeace.de finden Sie einen ausführlichen Überblick über die gängigen Textil-Label samt Beurteilung.
Inzwischen gibt es wohl nur noch wenige Konsumenten, die das Fairtrade-Siegel nicht kennen.
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Ob an Kaffee, Schokolade, Saft oder Baumwoll-T-Shirt ... Ziel der Fairtrade-Politik ist es, ein Produkt aus armen Ländern auf den Massenmarkt zu bringen, um die Verhältnisse in den Produktionsländern zu verbessern. Diese fraglos gut gemeinte, aber einseitige Perspektive auf ein Produkt führt dazu, dass hiesige, unfair agierende Unternehmen einzelne Fairtrade-Produkte im Sortiment haben, mit denen sie den Unternehmensumsatz insgesamt ankurbeln. Unabsichtlich stützt das Fairtrade-Siegel auf diese Weise unfaires Geschäftsgebaren. Beispiel: Auch Lidl, wahrlich kein Mitarbeiterwohltäter vor dem Herrn, aber immerhin Träger des Fairtrade-Awards 2012, hat inzwischen vereinzelt Kleidungsstücke aus Fairtrade-zertifizierter Baumwolle auf Lager, um sein Image auch in Kleidungssachen wieder aufzuhübschen. Denn im Jahr 2011 wurde Lidls »fair gehandelte Kleidung« aus Bangladesch als unfair produziert enttarnt: Nachtarbeit, unbezahlte Überstunden, Niedrigstlöhne, Misshandlungen. Daran dürfte sich im Hinblick auf die meisten von Lidl vertriebenen Klamotten (Eigenmarke: Esmara) immer noch nicht allzu viel geändert haben – trotz aus Fairtrade-zertifizierter Baumwolle hergestellter Sweatjacken. Gutgläubige mögen das als ersten Schritt sehen, Realisten als das, was es in meinen Augen ist: Greenwashing vom Feinsten. »Die Masse unserer Ware ist unter unfairen bis menschenverachtenden Bedingungen hergestellt, aber ein einsames Jäckchen mit Fairtrade-Zertifikat wird unsere schmutzige Weste weiß waschen, unser Image grün – und (Pardon!) den verantwortungsvollen Kunden zum Narren halten.« Den Vogel des Zynismus aber hat Lidl abgeschossen, als das Unternehmen damit prahlte, zwei mobile Kliniken in Bangladesch zu betreiben, die bereits 25.000 Mitarbeiter/innen behandelt hätten. Die »Behandlung« bestand jedoch in wenig mehr, als den völlig erschöpften Arbeiterinnen Vitamintabletten zu verabreichen, um die Krankenrate
zu reduzieren. Schließlich können gesunde Näherinnen besser und schneller arbeiten als kranke ...
Anders als Fairtrade geht die Fair Wear Foundation (FWF) ganzheitlicher vor, indem sie das gesamte Unternehmen hinsichtlich sozialer Standards unter die Lupe nimmt.
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Also auch dessen Organisationsstruktur und Einkaufspolitik. Und anders als bei der fragwürdigen BSCI handelt es sich bei der FWF um eine Multistakeholder-Stiftung aus NGOs, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden, deren Mitgliedsunternehmen – inzwischen sind es 75 Firmen – jedes Jahr einer internen und alle drei Jahre einer externen Kontrolle unterzogen werden. Transparenz wird bei der in Amsterdam ansässigen FWF
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