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Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Jaenicke
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Marketingkampagnen erfolgreich eingebläut. Mit 150 PS steht es sich einfach viel schöner im Stau als mit schlappen 75. Und mit schweren Geländelimousinen schleicht es sich viel angenehmer durch die Innenstädte als mit einem popeligen Kleinwagen. Tatsächlich sind fast 50 Prozent der Strecken, die in Deutschland per Auto zurückgelegt werden, kürzer als fünf Kilometer. 59 Dafür brauchen wir PS-Monster? Tempolimit, globale Erwärmung, schmelzende Polkappen, Treibhausgase, Ölkatastrophen à la Deepwater Horizon ... Ganz im Sinne von »Nach mir die Sintflut« werden so unliebsame Diskussionen eisern ignoriert oder wegargumentiert, sowohl seitens der Automobilindustrie als auch seitens der Millionen Hobby-Vettels, die das Motto »Freie Fahrt für freie Bürger« bis zu Dauerstau und Luftverpestung verinnerlicht haben.
    Eine Physikerin namens Dr. Angela Merkel behauptete vor nicht allzu langer Zeit und allen Ernstes bei einem Auftritt auf der
Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), umrahmt von CEOs deutscher Autokonzerne, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen würde in Bezug auf Spritsparen nichts bringen. Aha?! Ich war ja in Physik nie besonders gut, aber dass ein Auto bei 120 km/h weniger Benzin schluckt als bei 160 km/h, das habe sogar ich begriffen und an diversen Tanknadeln beobachten können ... Warum bloß blockiert die Autonation Nr. 1 mit allen Mitteln, Tricks und Ausreden echte Innovationen bei der Automobilität?

    »Bei einem einzigen Autohersteller in Deutschland gibt es
mehr Leute, die aufpassen, was wir [VCD] tun,
als bei uns überhaupt Leute im Bereich Auto arbeiten.«
    Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des ökologisch
orientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD) 60

    Autos made in Germany sind echte Exportschlager. 61 2010 exportierten die deutschen Autohersteller Fahrzeuge und Kfz-Teile im Wert von 159,4 Milliarden Euro. Vor allem die dicken Schlitten mit hohen PS-Zahlen und viel Elektronikschnickschnack haben es den wohlhabenden Chinesen, Amis und Russen angetan. Von den 4,5 Millionen Pkw, die 2011 ins Ausland verkauft wurden (das sind übrigens mehr als jemals zuvor) 62 , haben sich allein die Chinesen über eine halbe Million Spritschlucker in ihr aufstrebendes, aber leider smoggeplagtes Land geholt. Tendenz steigend. Und die Deutschen? Die beruhigen derweil ihr grünes Gewissen mit Biosprit und – jetzt kommt’s – mit der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung. Das 2011 eingeführte CO 2 -Label für Pkw ist nach den Effizienzklassen A bis G eingeteilt. Kennen wir so ähnlich von Waschmaschinen und Kühlschränken. Angeblich soll der potenzielle Käufer eines Neuwagens an dem Label erkennen, wie effizient ein Auto ist, wie viel Sprit es
verbraucht und wie hoch der CO 2 -Ausstoß ist. Doch von wegen mehr Transparenz im Sinne einer umweltbewussten Kaufentscheidung. Im Gegenteil: Dieses CO 2 -Label ist nämlich nicht nur harmlose Augenwischerei, sondern eine gezielte Irreführung des Verbrauchers und ein Rückschritt in Sachen Klimaschutz. Das hängt mit der Bezugsgröße bei der Berechnungsformel zusammen: Gewicht und CO 2 -Ausstoß. Demnach ist ein knapp 2,5 Tonnen schwerer Luxusgeländewagen mit einem CO 2 -Ausstoß von 189 g/km energieeffizienter als ein Kleinwagen von 950 Kilo, der nur 105 g/km CO 2 in die Luft pustet. Sind eben echte Rechenkünstler, diese Autohersteller – vor allem, wenn es darum geht, den Konsumenten teure Autos unterzujubeln. Denn mit dem rein rechnerischen »grünen Mäntelchen« liefern sie einen Anreiz, verbrauchsintensive Fahrzeuge zu kaufen. So wird Deutschland jedenfalls mit Pauken und Trompeten am CO 2 -Ziel der Europäischen Kommission vorbeirasen. Denn dieses sieht aktuell einen durchschnittlichen CO 2 -Grenzwert für Pkw von 95 g/km bis 2020 vor. »Ich gehe davon aus, dass die Autohersteller den Wert von 95 schaffen können, wenn sie durch den Grenzwert verpflichtet werden. Wenn!«, sagt Gerd Lottsiepen vom VCD. »Inzwischen aber versuchen die Autohersteller, den Wert von 95 g/km durch Super Credits zu verwässern.« Super Credits? Das sind Rechenexempel à la »Jedes verkaufte Elektroauto zählt doppelt bei der Berechnung des durchschnittlichen CO 2 -Ausstoßes meiner Flotte«, sprich ein mieser, von Regierungsseite jedoch abgenickter Trick, um die CO 2 -Gesamtbilanz der Autobauer grünzurechnen.

    KONSUMENTEN-NAVI
    Augen auf beim Autokauf – aber weggeschaut bei der fadenscheinigen Effizienzklasse. Was zählt, ist einzig und

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