Die große Zukunft des Buches
Verrückten, die über Verrückte geschrieben haben. Gustave Brunet in Les Fous littéraires (Die literarischen Narren) von 1880 macht überhaupt keinen Unterschied zwischen verrückten Werken und ernst zu nehmenden Werken, die aber von Menschen stammen, die vermutlich unter psychiatrischen Problemen gelitten haben. Auf seiner, im Übrigen köstlichen Liste stehen sowohl Henrion, der 1718 eine Dissertation über die Statur Adams vorlegte, als auch Cyrano de Bergerac, Sade, Fourier, Newton, Poe und Walt Whitman. Im Fall des Sokrates räumt er ein, dass er tatsächlich kein Schriftsteller war, da er ja nie geschrieben hat, dass aber jemand, der bekannte, vertrautenUmgang mit einem Dämon zu haben, trotzdem unter die Verrückten eingereiht werden müsse (es handle sich eindeutig um Monomanie).
In seinem Buch über die Narren in der Literatur zitiert Blavier (unter tausendfünfhundert Titeln!) die Verkünder neuer Kosmogonien, Hygieniker, die die Vorzüge des Rückwärtsgehens preisen, einen gewissen Madrolle, der die Theologie der Eisenbahn behandelt, einen Passon, der 1829 einen Beweis für die Unbeweglichkeit der Erde veröffentlicht, und die Arbeit eines gewissen Tardy, der 1878 beweist, dass die Erde sich in achtundvierzig Stunden einmal um sich selbst dreht.
J.-P. DE T.: In Das Foucaultsche Pendel sprechen Sie von einem Verlag, der das repräsentiert, was man auf Englisch vanity press nennt, das heißt ein Verlagshaus, wo ein Autor sein Werk auf eigene Kosten publizieren kann. Das ist der Ort, wo so einige Meisterwerke erscheinen …
U. E.: Ja. Dabei handelt es sich aber nicht um eine literarische Erfindung. Bevor ich den Roman schrieb, hatte ich eine Untersuchung über solche Ausgaben veröffentlicht. Sie schicken Ihren Text an eins dieser Häuser, das Sie mit Lob über dessen offensichtliche literarische Qualitäten überschüttet und Ihnen vorschlägt, es zu publizieren. Sie können es nicht fassen. Man gibt Ihnen einen Vertrag zur Unterschrift, in dem festgelegt ist, dass Sie den Druck Ihres Manuskripts selbst finanzieren, dafür wird der Verleger sich dafür einsetzen, dass Sie jede Menge Besprechungen bekommen und sogar, warum nicht, schmeichelhafte literarische Auszeichnungen. Der Vertrag legt nicht fest, wie viele Exemplare der Verleger drucken muss, dafür aber wird betont,dass die unverkauften Exemplare eingestampft werden, »es sei denn, Sie treten als deren Käufer auf«. Der Verleger druckt dreihundert Exemplare, hundert sind für den Autor bestimmt, der sie Freunden und Angehörigen zukommen lässt, und zweihundert für Zeitungen, wo man sie flugs in den Papierkorb wirft.
J.-C. C.: Beim bloßen Anblick des Verlegernamens.
U. E.: Aber das Verlagshaus hat Zeitschriften seines Vertrauens, in denen alsbald Besprechungen zum Lob dieses »wichtigen« Buches erscheinen werden. Um die Bewunderung seiner Umgebung zu erlangen, kauft der Autor noch einmal, sagen wir, hundert Exemplare (die der Verleger sich beeilt zu drucken). Nach Ablauf eines Jahres teilt man ihm mit, dass die Verkäufe nicht besonders gut gelaufen sind und dass der Rest der Auflage (in der Höhe von zehntausend, erfährt er nun) eingestampft wird. Wie viele davon will er kaufen? Der Autor ist schrecklich frustriert bei dem Gedanken, sein geliebtes Buch verschwinden zu sehen. Also kauft er dreitausend Exemplare auf. Der Verleger lässt sogleich dreitausend drucken, die es bis dahin nicht gab, und verkauft sie dem Autor. Das Unternehmen floriert, weil der Verleger überhaupt keine Kosten für den Vertrieb hat.
Ein anderes Beispiel für vanity press (aber es ließen sich noch jede Menge ähnliche Veröffentlichungsarten anführen) ist ein Werk, das in meinem Besitz ist, das Zeitgenössische biographische Lexikon der Italiener . Das Prinzip ist: Sie zahlen, um aufgenommen zu werden. Da finden Sie »Pavese, Cesare, geboren am 9. September 1908 in Santo Stefano Belbo, gestorben in Turin am 26. August 1950«, dazu der Eintrag: »Übersetzer und Schriftsteller«. Ende. Dann aber finden Siezwei volle Seiten über einen gewissen Paolizzi, Deodato, von dem noch nie jemand etwas gehört hat. Und unter diesen anonymen Berühmtheiten ist vielleicht die größte Figur ein gewisser Giulio Ser Giacomi, der ein dickes Buch von 1500 Seiten verbrochen hat, seine Korrespondenz mit Einstein und Pius XII., worin nur die Briefe enthalten sind, die er an den einen und den anderen geschrieben hat, weil natürlich keiner von beiden je geantwortet
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