Die große Zukunft des Buches
hat.
J.-C. C.: Ich habe auch ein Buch »auf Selbstkosten« herausgebracht, aber ohne die Hoffnung, es zu verkaufen. Es handelt von dem Schauspieler Jean Carmet. Nach seinem Tod verfasst und für seine nächsten Freunde bestimmt, habe ich es, unterstützt von einer Mitarbeiterin, am PC getippt. Dann haben wir es heften und fünfzig Exemplare davon herstellen lassen. Heutzutage kann jeder ein Buch »machen«. Der Vertrieb ist eine andere Sache.
U. E.: Eine im Übrigen sehr seriöse italienische Tageszeitung bietet ihren Lesern an, auf Wunsch ihre Texte zu verlegen, für eine recht bescheidene Summe. Der Verleger wird seinen Namen auf dieser Publikation nicht angeben, denn er will nicht für die Ansichten seines Autors zur Verantwortung gezogen werden. Zweifellos wird dieses Verfahren die Aktivitäten der vanity press mindern, vermutlich aber die Aktivitäten der Eitlen steigern. Nichts wird der Eitelkeit Einhalt gebieten.
Die Sache hat aber auch eine positive Seite. Diese Ausgaben sind anonym, ebenso wie die freie Zirkulation von unpublizierten Texten via Internet die moderne Form des Samisdat ist, die einzige Möglichkeit, in einer Diktatur seine Ideen zu verbreiten und so der Zensur zu entgehen. AlleLeute, die einst Kopf und Kragen riskierten, wenn sie Samisdat verfassten, können ihre Texte nun ohne große Gefahr online stellen.
Im Übrigen ist die Technik des Samisdat sehr alt. Sie finden Bücher aus dem 17. Jahrhundert, verlegt in Städten mit Namen wie Francopolis oder so ähnlich, eindeutig erfundene Städtenamen. Es handelte sich also um Bücher, die ihren Autoren den Vorwurf der Häresie einbringen konnten. Weil sie das wussten, machten Autoren und Verleger daraus Geheimsachen. Wenn Sie ein Buch aus dieser Zeit in Ihrer Bibliothek haben, wo der Name des Verlegers nicht auf der Titelseite erscheint, so haben Sie es sicher mit einem heimlich erschienenen Buch zu tun. Daran mangelte es nicht. Das Äußerste, was Sie unter der Stalindiktatur tun konnten, wenn Sie mit der Parteimeinung nicht konform gingen, das war, ein Samisdat zu verfassen. Ihr Text zirkulierte dann in mehr oder weniger geheimer Form.
J.-C. C.: Im Polen der Jahre 1981–1984 schoben anonyme Hände sie nachts unter den Türen durch.
U. E.: In Demokratien, wo es im Prinzip keine Zensur gibt, ist das elektronische Pendant zu diesem Verfahren der Text, der von sämtlichen Verlagshäusern abgelehnt worden ist und den sein Autor ins Netz stellt. Einigen von ihnen hat das Glück gebracht. Ein Verleger hat einen ihrer Texte gelesen und sie angerufen.
J.-P. DE T.: Es hat den Anschein, als wollten wir hier auf den unfehlbaren Riecher der Verlage setzen. Wir wissen aber sehr wohl, dass es damit nicht weit her ist. Das ist ein weiteres amüsantes oder überraschendes Kapitel in der Geschichte der Bücher. Vielleicht sollten wir etwas dazu sagen. Sind die Verleger hellsichtiger als ihre Autoren?
U. E.: Es hat sich gezeigt, dass sie manchmal dumm genug sein konnten, bestimmte Meisterwerke abzulehnen. Das ist in der Tat ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Eseleien. »Ich bin vielleicht etwas beschränkt, aber ich vermag nicht zu begreifen, warum man dreißig Seiten darauf verwenden sollte, um zu erzählen, wie jemand sich im Bett hin und her wälzt, ohne einschlafen zu können.« So das erste Lektoratsgutachten zur Recherche von Proust. Zu Moby Dick : »Es besteht wenig Aussicht, dass ein solches Werk bei einem jungen Publikum auf Interesse stößt.« Zu Flauberts Madame Bovary : »Monsieur, Sie haben Ihren Roman unter einem Wust von Details begraben, die genau gezeichnet, aber vollkommen überflüssig sind.« Zu Emily Dickinson: »Ihre Reime sind alle falsch.« Zu Colettes Claudine in der Schule : »Ich fürchte, man wird davon nicht mehr als zehn Exemplare verkaufen.« Zu George Orwells Farm der Tiere : »Unmöglich, in den USA eine Tiergeschichte zu verkaufen.« Zum Tagebuch der Anne Frank : »Dieses Mädchen scheint nicht die geringste Vorstellung davon zu haben, dass sein Buch nichts weiter als ein Gegenstand der Neugierde sein könnte.« Aber es sind nicht nur die Verleger, auch die Produzenten in Hollywood. Hier das Urteil eines talent scout nach der ersten Vorstellung von Fred Astaire im Jahr 1928: »Er kann nicht spielen, er kann nicht singen, er hat eine Glatze und hat ein paar Grundkenntnisse auf dem Gebiet des Tanzes.« Und über Clark Gable: »Was sollen wir mit jemand machen, der solche Ohren
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