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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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    J.-C. C.: Bei dieser Aufzählung kann einem wirklich schwindlig werden. Versuchen wir, aus der Masse dessen, was auf der ganzen Welt geschrieben und verlegt wurde, das herauszusuchen, was wir wirklich schön, anrührend, unvergesslich gefunden haben, oder einfach die Bücher, die es verdienen, gelesen zu werden. Ist es ein Prozent? Ein Promille? Wir haben eine sehr hohe Meinung vom Buch, wir sakralisieren es gern. Doch wenn wir genau hinschauen, besteht ein verblüffend großer Teil unserer Bibliotheken aus Büchern, die von Leuten ohne jedes Talent, von Idioten oder von Besessenen geschrieben wurden. Unter den zwei- oder dreihunderttausend Schriftrollen, die die Bibliothek von Alexandria enthielt und die in Rauch aufgegangen sind, war mit Sicherheit die überwiegende Mehrheit Unsinn.
     
    U. E.: Ich glaube nicht, dass die Bibliothek von Alexandria so viele Bücher enthielt. Wir neigen immer dazu, zu übertreiben, wenn wir von den Bibliotheken der Antike sprechen, das sagten wir schon. Man hat nachgewiesen, dass die berühmtesten Bibliotheken des Mittelalters höchstens vierhundert Bücher enthielten! Sicher müssen es in Alexandria mehr gewesen sein, weil berichtet wird, dass beim ersten Brand zu Zeiten Caesars, einem Brand, der nur einen Flügel erfasst hatte, vierzigtausend Rollen in Flammen aufgegangen waren. Jedenfalls müssen wir uns hüten, unsere Bibliotheken mit denen der Antike zu vergleichen. Die Herstellung von Papyri kann nicht mit der von gedruckten Büchern verglichen werden. Man braucht viel mehr Zeit, um eine von Hand geschriebene Schriftrolle oder einen einmaligen Kodex herzustellen, als eine große Anzahl an Exemplaren ein und desselben Buches zu drucken.
     
    J.-C. C.: Aber die Bibliothek von Alexandria ist ein sehr ambitioniertes Projekt, eine Staatsbibliothek, die nicht mit der Privatbibliothek eines Königs vergleichbar ist, auch nicht eines großen Königs, oder mit der eines Klosters. Alexandria lässt sich eher mit Pergamon vergleichen, dessen Bibliothek ebenfalls brannte. Vielleicht ist es ja das Los aller Bibliotheken, eines Tages in Flammen aufzugehen.
     
    J.-P. DE T.: Aber wir wissen mittlerweile, dass das Feuer nicht nur Meisterwerke vernichtet.
     
    J.-C. C.: Ein Trost, auf den wir mittlerweile bauen. Eine Mehrzahl von belanglosen Büchern verschwindet, wovon einige jedoch sehr unterhaltsam wären und in gewisser Weise auch lehrreich. Das Lesen solcher Bücher hat uns unser Lebtag lang viel Spaß gemacht. Andere haben uns beunruhigt, wenn wir an die geistige Gesundheit ihrer Autoren dachten. Und wir haben auch schlechte Bücher kennengelernt, aggressive, voller Hass und Schmähungen, die zum Verbrechen aufrufen oder zum Krieg. Ja, wirklich erschreckende Bücher. Tödliche Gegenstände. Hätten wir Mein Kampf veröffentlicht, wenn wir Verleger gewesen wären?
     
    U. E.: In bestimmten Ländern gibt es Gesetze gegen die Holocaustleugner. Aber es ist ein Unterschied zwischen dem Recht, ein Buch nicht zu publizieren, und dem, ein Buch zu vernichten, das bereits publiziert wurde.
     
    J.-C. C.: Die Witwe von Céline beispielsweise hat stets eine Neuauflage von Bagatelles pour un massacre (Judenverschwörung in Frankreich) verhindert. Zu einer bestimmten Zeit, kann ich mich erinnern, war es nicht aufzutreiben.
     
    U. E.: In der Anthologie meiner Geschichte der Hässlichkeit habe ich ein Stück aus den Bagatelles über die Hässlichkeit des Juden für Antisemiten ausgesucht, aber als der Verleger um die Druckgenehmigung ansuchte, hat die Witwe sie verweigert. Das hindert nicht, dass man dieses Buch vollständig im Internet finden kann, auf einer Nazi-Website natürlich.
    Ich habe von den Narren gesprochen, die die chronologische Priorität ihrer Nationalsprache behaupteten. Hier ist noch so ein Kandidat, der zu seiner Zeit halb richtige und halb fragwürdige Wahrheiten propagierte. Jedenfalls wurde er als Ketzer behandelt und entging nur durch ein Wunder dem Scheiterhaufen. Ich denke hier an Issac de La Peyère, einen protestantischen Autor des französischen 17. Jahrhunderts, und seinen Prae-Adamitae . Er erklärte, dass die Welt nicht sechstausend Jahre alt sei, wie die Bibel behauptet, weil man chinesische Genealogien gefunden habe, die ein viel höheres Alter bezeugten. Die Mission Christi, der kam, um die Menschheit von der Erbsünde zu erlösen, ging also nur die jüdische Mittelmeerwelt etwas an und nicht die anderen Welten, die nicht von der Erbsünde berührt waren. Das

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