Die große Zukunft des Buches
ist ein wenig wie das Problem, das die Freidenker im Hinblick auf die Vielheit der Welten aufwarfen. Wenn die Hypothese von der Vielheit der Welten zutraf, wie ließ sich dann die Tatsache rechtfertigen, dass Jesus Christus auf die Erde gekommen war und nirgendwohin sonst? Außer man stellte sich vor, er sei auf mehreren Planeten gekreuzigt worden …
J.-C. C.: Während der Dreharbeiten zu Die Milchstraße mit Buñuel, einem Film, der die Häresien der christlichen Religion illustriert, hatte ich mir eine Szene ausgedacht, die wir sehr mochten, die aber zu teuer war und daher im Film nicht auftaucht. Ein Ufo landet irgendwo unter großem Getöse,der Deckel oder das Cockpit geht auf, und heraus kommt ein grünes Wesen mit Antennen am Kopf, in der Hand schwenkt es ein Kreuz, an das ein anderes grünes Wesen mit Antennen genagelt ist.
Ohne so weit gehen zu wollen, möchte ich noch einmal kurz auf die spanischen Eroberer zurückkommen. Ihnen musste sich doch bei der Landung in Amerika die Frage stellen, warum man dort noch nie etwas vom Gott der Christen, von Jesus dem Heiland gehört hatte. Hatte Christus denn nicht gesagt: »Gehet hin und lehret allen Völkern«?
Gott konnte sich nicht getäuscht haben, als er seinen Jüngern auftrug, die neue Lehre unter allen Menschen zu verbreiten. Der logische Schluss war also: Das da waren keine Menschen. Wie Sepulveda gesagt hat: »Gott hat sie in seinem Reich nicht gewollt.« Um das reale Menschsein der amerikanischen Indios trotzdem zu rechtfertigen, gingen einige so weit, falsche Kreuze vorzuweisen, die sie dort gefunden haben wollten und die von der Anwesenheit christlicher Apostel auf dem Kontinent vor Ankunft der Spanier zeugen sollten. Aber der Schwindel flog auf.
Lob der Dummheit
J.-P. DE T.: Dann sind Sie also, wenn ich das recht sehe, beide Liebhaber der Dummheit …
J.-C. C.: Treue Liebhaber. Sie kann auf uns zählen. Als ich in den sechziger Jahren gemeinsam mit Guy Bechtel das Wörterbuch der Dummheit zusammenstellte, das dann mehrere Auflagen erlebte, sagten wir uns: Warum sich immer nur an die Geschichte der Intelligenz halten, an die Meisterwerke, die großen Momente des Geistigen? Die Dummheit, die Flaubert so teuer war, schien uns unendlich viel verbreiteter, das versteht sich von selbst, zudem aber auch fruchtbarer, erhellender und in gewissem Sinn richtiger. Wir haben eine Einleitung dazu geschrieben, die wir »Lob der Dummheit« nannten. Wir überlegten sogar, »Kurse in Dummheit« zu geben.
All das dumme Zeug, das über die Schwarzen, die Juden, die Chinesen, die Frauen oder große Künstler geschrieben wurde, erschien uns unendlich viel erhellender als alle gescheiten Analysen. Wenn der erzreaktionäre Monseigneur de Quélen während der Restauration von der Kanzel in Notre-Dame herab einem Publikum von Aristokraten, die in der Mehrzahl nach Frankreich heimgekehrte Emigranten waren, erklärt: »Jesus Christus war nicht nur der Sohn Gottes, sondern er stammte auch mütterlicherseits aus bester Familie«, sagt er uns damit eine Menge Dinge, nicht nur über sich selbst, was nur bedingt von Interesse wäre, sondern über die Gesellschaft und die Mentalität seiner Zeit.
Ich erinnere mich auch noch an eine Perle, die man bei Houston Stewart Chamberlain findet, einem notorischen Antisemiten: »Jeder, der behauptet, Jesus Christus sei Jude gewesen, ist entweder ignorant oder unaufrichtig.«
U. E.: Ich hätte doch gern, dass wir zu einer Definition gelangen. Das ist für unser Thema zweifellos von besonderer Bedeutung! In einem meiner Bücher habe ich eine Unterscheidung gemacht zwischen dem Dummen, dem Idioten und dem Blöden. Der Idiot interessiert uns hier nicht. Das ist derjenige, der den Löffel zur Stirn führt statt zum Mund, das ist derjenige, der nicht versteht, was Sie ihm sagen. Sein Fall ist klar. Blödheit hingegen ist eine soziale Eigenschaft, die man auch anders nennen kann, denn für einige sind »blöd« und »dumm« dasselbe. Der Blöde ist derjenige, der im gegebenen Augenblick sagt, was er nicht sagen sollte. Er begeht unwillkürliche Schnitzer. Der Dumme ist anders, sein Defekt ist nicht sozialer, sondern logischer Natur. Auf den ersten Blick hat man den Eindruck, seine Überlegungen seien folgerichtig. Es ist schwer, auf Anhieb zu erkennen, was da nicht stimmt. Deshalb ist der Dumme gefährlich.
Ich will ein Beispiel geben. Der Dumme würde sagen: »Alle Einwohner von Piräus sind Athener. Alle Athener sind Griechen. Also
Weitere Kostenlose Bücher