Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts
Bewohnern von Madre de Dios Sitte war und deren Chanal besonders Erwähnung thun zu sollen glaubte; sie besteht darin, befreundeten Personen einen Bissen Speise schon gekaut anzubieten, damit diese ihn nur noch zu verschlucken brauchen. Man darf wohl annehmen, daß die Franzosen, so empfänglich sie auch für jeden Beweis von Gastfreundschaft seitens der Eingebornen gewesen sein mögen, doch aus bescheidenem Zartgefühl eine solche Gefälligkeit nicht mißbraucht haben werden.
Eine andere merkwürdige Beobachtung Marchand’s ist die, daß ihre auf Platformen von Stein erbauten Hütten und die Stelzen, deren sie sich bedienen, darauf hinweisen, daß Santa Christina gelegentlich von Ueberschwemmungen heimgesucht wird. Man hatte Gelegenheit, eine solche recht gut gearbeitete und geschnitzte Stelze auf der letzten Pariser Ausstellung zu sehen, und verdankt Hamy, einem gründlichen Kenner alles dessen, was Oceanien angeht, eine interessante Abhandlung über dieses merkwürdige Geräth.
Der Schwanen-Fluß. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
»Die Hauptbeschäftigung der Ureinwohner von Santa Christina, nach dem Fischfange, der gelegentlichen Herstellung von Waffen, Piroguen oder Hausgeräthen besteht darin, zu singen, zu tanzen und sich zu vergnügen. Der volksthümilche Ausdruck ›die Zeit todtschlagen‹ scheint wirklich geschaffen zu sein, um die Nichtsnutzigkeit der Beschäftigungen, mit denen sie ihr Leben ausfüllen, richtig zu kennzeichnen.«
Schon während der ersten Tage des Aufenthaltes in der Bai von Madre de Dios hatte Marchand eine Beobachtung gemacht, die ihn zur Auffindung einer Inselgruppe führte, von der die früheren Seefahrer und selbst Cook nicht die geringste Ahnung hatten. Bei Sonnenuntergang und völlig klarem Wetter bemerkte er am Horizont einen unbeweglichen Fleck, der wie ein Berggipfel aussah, eine Erscheinung, welche sich mehrere Tage hindurch wiederholte. Man konnte also gar nicht daran zweifeln, daß derselbe einem Lande angehöre, und da die Karten in der betreffenden Richtung kein solches anzeigten, mußte es wohl eine noch unbekannte Insel sein.
Als Marchand Santa Christina am 20. Juni verließ, wollte er sich hierüber Gewißheit verschaffen, und hatte die Genugthuung, im Nordwesten unter 7° südlicher Breite eine Grappe kleiner Inseln zu finden, deren größte seinen Namen erhielt. Die Einwohner gehörten allem Anscheine nach derselben Race an wie die der Marquisen. Bald darauf entdeckte man noch weitere, wie die Insel Baux, das ist Nuka-Hiva, die Beiden Brüder, die Insel Masse und Chanal, und bezeichnete diesen Archipel, der von den Geographen den Marquisen zugerechnet wird, als die »Inseln der Revolution«.
Von hier aus schlug man nun den Kars nach Amerika ein. Wegen der schon zu sehr vorgeschrittenen Jahreszeit konnte man nicht bis zum 60. Breitengrad nach dem »Williams-Sund« und »Cooks-River« hinaufsegeln. Marchand beschloß also, nach dem Cap del Engano zu gehen und seine Handelsgeschäfte in Dixon’s Bai Norfolk, das ist die Bai von Guadaloupe der Spanier, zu betreiben.
Am 7. August bekam man Land, und zwar das Cap del Engano zu Gesicht, und nach fünftägiger Windstille fiel der Anker in der Bai von Guadeloupe. Bisher erlag kein Mann an Bord einem Anfalle von Scorbut, nach einer Fahrt von zweihundertzweiundvierzig Tagen, von denen nur zehn für die Aufenthalte in la Praya und Madre de Dios abgehen, und einer zurückgelegten Wegstrecke von fünftausendachthundert Meilen. Gewiß ein anerkennenswerthes Resultat, das man einzig den Rhedern, welche nichts bezüglich der Gesundheit der Mannschaften vernachlässigt, und den Kapitänen verdankte, die alle von der Erfahrung bekräftigten Maßregeln durchzuführen gewußt hatten.
Während seiner Rast in dieser Bai, die bei den Landeseinwohnern Tchinkitane hieß, kaufte Marchand eine große Menge Otternfelle ein, darunter wohl hundert Stück von erster Qualität.
Die sehr kleinen Eingebornen mit untersetztem, aber wohl proportionirtem Körper und rundem flachen Gesicht haben ein abstoßendes Aussehen. Kleine, tiefliegende und triefende Augen und stark hervorspringende Backenknochen tragen natürlich nicht dazu bei, sie zu verschönern. Die Farbe ihrer Haut ist unter der dicken Kruste von Schmutz und der sie bedeckenden Mischung rother und schwarzer Substanzen nur schwer zu bestimmen. Ihr hartes, dichtes, struppiges, mit Ocker und Flaumenfedern und allerlei Unreinlichkeiten, welche Zeit und Nachlässigkeit darauf nur
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