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Die großen Vier

Die großen Vier

Titel: Die großen Vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ist, für Revolutionen, die da und dort ausbrechen. Es gibt Leute, und zwar keine Schwätzer, die behaupten, dass eine geheime Macht hinter dem Weltgeschehen steht. Eine Macht, die nach nichts Geringerem strebt, als nach der völligen Auflösung der Zivilisation. Wie Ihnen wohl bekannt ist, sprach in Russland alles dafür, dass Lenin und Trotzki nichts weiter als Marionetten waren, deren Handlungen durch das Gehirn eines anderen geleitet wurden. Ich habe zwar keine greifbaren Beweise in Händen, bin jedoch völlig davon überzeugt, dass es das Gehirn von Li Chang Yen war.»
    «Ist das nicht etwas weit hergeholt?», wandte ich ein. «Wie sollte ein Chinese irgendeinen Einfluss auf die Geschehnisse in Russland haben?»
    Poirot warf mir einen gereizten Blick zu.
    «Für dich, Hastings», sagte er, «ist alles weit hergeholt, was nicht deiner eigenen Vorstellung entspringt. Ich meinerseits stimme jedoch der Ansicht dieses Herrn völlig zu. Aber bitte, Monsieur, fahren Sie fort.»
    «Was er in Wirklichkeit mit allem bezweckt, kann ich Ihnen leider nicht mit Sicherheit sagen», fuhr Mr Ingles fort, «aber ich neige zu der Annahme, dass er von einem Größenwahn befallen ist, ähnlich dem, der in der Zeit von Akbar und Alexander bis zu Napoleon alle großen Genies befallen hat, ein Streben nach absoluter Macht und ein persönliches Geltungsbedürfnis. Bis zu unseren modernen Zeiten waren stets Armeen zu Eroberungszwecken notwendig, heute jedoch kann ein Mann wie Li Chang Yen vielleicht andere und weitaus wirksamere Mittel ergreifen. Ich habe Beweise, dass ihm für Bestechung und Propagandazwecke unbeschränkte Geldmittel zur Verfügung stehen, dass technische Errungenschaften in seinen Händen liegen, von deren Wirksamkeit die Welt keine Ahnung hat.»
    Poirot folgte den Ausführungen Mr Ingles’ mit gespannter Aufmerksamkeit.
    «Und in China?», fragte er. «Laufen da seine Fäden in gleicher Richtung?»
    Mr Ingles nickte zustimmend.
    «Ganz eindeutig», sagte er, «obwohl ich keine Beweise erbringen kann, die hieb- und stichfest sind – ich spreche nur aus eigener Erfahrung. Ich selbst kenne jede einflussreiche Persönlichkeit im heutigen China und kann Ihnen versichern, dass die Personen, die in der breiten Öffentlichkeit auftreten, meistens nur geringen oder gar keinen Einfluss haben. Es sind Marionetten, die von Meisterhand geleitet werden, und diese Hand ist Li Chang Yens Hand. Er ist der leitende Kopf im Fernen Osten. Wir verstehen den Osten nicht und werden ihn niemals verstehen. Jedoch in Li Chang Yen haben wir die treibende Kraft. Nicht etwa, dass er im Rampenlicht erscheint, nein, keineswegs, er verlässt seinen Palast in Peking nie. Doch zieht er an seinen Fäden, nur an den Fäden – und weit entfernt geschehen Dinge.»
    «Und es gibt niemanden, der sich ihm entgegenstellt?», fragte Poirot.
    Mr Ingles beugte sich in seinem Stuhl vor.
    «Vier Leute haben es in den letzten vier Jahren versucht», sagte er langsam, «Männer von Format, ehrliche und kluge Männer. Jeder von ihnen wäre fähig gewesen, seinen Plänen wirksam entgegenzutreten.» Er zögerte.
    «Und weiter?», fragte ich.
    «Nun, sie sind alle tot. Der eine schrieb einen Zeitungsartikel und brachte Li Chang Yens Namen mit den Aufständen in Peking in Verbindung; innerhalb von zwei Tagen fand man ihn erdolcht auf der Straße. Der Mörder wurde nie ermittelt. Die Umstände bei zwei andern lagen ähnlich. In einer Rede oder einem Artikel oder nur bei einer Unterhaltung sprachen beide von Li Chang Yen in Verbindung mit einem Aufruhr oder einer Revolte, und innerhalb einer Woche nach dieser Indiskretion waren sie tot. Der eine wurde vergiftet, der andere starb an Cholera; ein Einzelfall – nicht etwa infolge einer Epidemie. Und ein anderer wurde tot in seinem Bett gefunden. Die Todesursache wurde nie festgestellt, aber ein Arzt, der die Leiche gesehen hat, berichtete mir, dass sie verbrannt und verkohlt gewesen sei, als habe ein elektrischer Schlag von unvorstellbarer Kraft sie getroffen.»
    «Und Li Chang Yen?», forschte Poirot. «Alle Ermittlungen in dieser Richtung waren natürlich ergebnislos, aber es gab doch sicher Anhaltspunkte?»
    Mr Ingles zuckte die Achseln.
    «Oh, Anhaltspunkte – ja sicherlich. Ich habe einmal einen Chemiker getroffen, der mir etwas mitteilen wollte, einen intelligenten jungen Chinesen, der von Li Chang Yen protegiert wurde. Eines Tages kam dieser junge Chemiker zu mir, und ich war überzeugt, dass er am Rande eines

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