Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Dulcinias Schreibtisch, wo sie ihn gleich als erstes sehen würde, wenn sie sich am Morgen hinsetzte. »Um die Bitte um Unterstützung von einer jungen Frau und ihrer Familie. Einer unserer Zauberer wird Vater.«
Phoebe quiekte. »Oh, das ist ja wunderbar! Beten wir, daß es mit dem Segen des Schöpfers ein Junge wird und er die Gabe hat. In der Stadt ist niemand mehr mit der Gabe geboren worden seit … nun, ich kann mich nicht einmal an das letzte Mal erinnern. Vielleicht wird dieses Mal…«
Vernas finstere Miene brachte sie endlich zum Schweigen. Verna wandte ihre Aufmerksamkeit Schwester Dulcinia zu. »Ich möchte mir diese junge Frau ansehen und auch den jungen Mann, der für ihren Zustand verantwortlich ist. Morgen wirst du einen Termin vereinbaren. Vielleicht sollten die Eltern auch dabeisein, schließlich bitten sie um Unterstützung.«
Schwester Dulcinia beugte sich ein wenig vor, einen leeren Ausdruck im Gesicht. »Gibt es ein Problem damit, Prälatin?«
Verna schob den Stapel Berichte auf ihrer Hüfte zurecht. »Das will ich meinen. Einer unserer jungen Männer hat eine Frau geschwängert.«
Schwester Dulcinia stellte ihren Tee auf der Schreibtischecke ab und kam einen Schritt näher. »Aber Prälatin, aus eben diesem Grund erlauben wir unseren Schützlingen doch, in die Stadt zu gehen. Dadurch können sie nicht nur ihre zügellosen Anwandlungen ausleben, damit sie sich ihren Studien widmen können, gelegentlich bringt uns das auch ein Kind mit der Gabe ein.«
»Ich werde nicht zulassen, daß der Palast sich in die Schöpfung und in das Leben unschuldiger Menschen einmischt.«
Schwester Dulcinia musterte Verna in ihrem schlichten, dunkelblauen Kleid von oben bis unten. »Prälatin, Männer haben solche unkontrollierbaren Gelüste.«
»Die habe ich auch, aber mit des Schöpfers Hilfe ist es mir bislang gelungen, niemanden zu erwürgen.«
Ein stechender Blick von Schwester Dulcinia machte Phoebes Lachen ein Ende. »Männer sind anders, Prälatin. Sie können sich nicht beherrschen. Wenn wir ihnen diese kleine Ablenkung zugestehen, stärkt das ihre Konzentration beim Unterricht. Die Entschädigung kann der Palast sich durchaus leisten. Es ist ein geringer Preis, wenn man bedenkt, daß uns dies gelegentlich zudem einen jungen Zauberer einbringt.«
»Die Aufgabe des Palastes ist es, unseren jungen Männern beizubringen, ihre Gabe auf verantwortungsbewußte Weise einzusetzen, mit Zurückhaltung, und sich dabei vollauf der Konsequenzen bewußt zu sein, die mit der Ausübung ihrer Fähigkeit einhergehen. Wenn wir sie ermuntern, sich in anderen Bereichen des Lebens auf genau entgegengesetzte Weise zu verhalten, untergräbt das die Ziele unserer Ausbildung.
Und was das Ergebnis anbetrifft, daß manchmal aus diesen wahllosen Paarungen jemand mit der Gabe hervorgeht, so gibt es keinen Hinweis darauf, ob dieses Verhalten dem zuträglich ist. Wer will behaupten, daß ein verantwortungsvolleres und beherrschteres Handeln sowie sinnvolle Paarungen nicht sogar mehr als diesen trostlosen Prozentsatz an Nachkommen mit der Gabe hervorbringen würde? Soweit wir wissen, kann diese lüsterne Unbedachtheit ihrer Fähigkeit, die Gabe weiterzugeben, möglicherweise sogar abträglich sein.«
»Oder sie entwickelt sich dadurch erst zur größtmöglichen Wahrscheinlichkeit, so gering diese auch ist.«
Verna zuckte die Achseln. »Vielleicht. Ich weiß jedoch, daß die Fischer draußen auf dem Fluß nicht ihr ganzes Leben lang an genau derselben Stelle ihre Netze auswerfen, nur weil sie dort einmal einen Fisch gefangen haben. Uns gehen nur wenige Fische ins Netz, also wird es für uns Zeit, weiterzuziehen.«
Schwester Dulcinia hakte ihre Hände ineinander und bemühte sich, die Fassung zu bewahren. »Prälatin, der Schöpfer hat die Menschen mit ihrer Natur gesegnet, so wie sie ist, und wir haben keine Möglichkeit, sie zu verändern. Männer und Frauen werden auch weiterhin tun, was ihnen Vergnügen bereitet.«
»Natürlich werden sie das, aber solange wir die Kosten der Folgen tragen, ermutigen wir sie auch noch dazu. Wenn alles ohne Folgen bleibt, geht die Selbstbeherrschung verloren. Wie viele Kinder sind ohne einen Vater aufgewachsen, weil wir den Schwangeren Gold gegeben haben? Ersetzt dieses Gold die Erziehung? Wie viele Leben haben wir mit unserem Gold zum Nachteil hin beeinflußt?«
Dulcinia breitete verzweifelt die Hände aus. »Unser Gold hilft ihnen.«
»Unser Gold ermutigt die Frauen in der Stadt zu
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