Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Christabel in Erfahrung gebracht?«
Phoebe wandte plötzlich nervös den Blick ab. »Nein. Niemand weiß, wo sie hingegangen ist. Wir haben auch noch nichts darüber gehört, wohin Amelia oder Janet verschwunden sind.«
Die fünf, Christabel, Amelia, Janet, Phoebe und Verna, waren Freundinnen gewesen, waren im Palast zusammen aufgewachsen, Verna jedoch war Christabel am vertrautesten gewesen, auch wenn alle ein wenig neidisch auf sie waren. Der Schöpfer hatte sie mit wunderschönen blonden Haaren und einem hübschen Gesicht gesegnet, aber auch mit einem freundlichen und warmherzigen Wesen.
Es war beunruhigend, daß ihre drei Freundinnen offenbar verschwunden waren. Manchmal, wenn ihre Familien noch lebten, verließen die Schwestern den Palast für einen Besuch zu Hause, aber dafür benötigten sie zuerst eine Erlaubnis, außerdem waren die Eltern dieser drei sicher längst verstorben. Gelegentlich gingen Schwestern auch für eine Weile fort, nicht nur, um ihren Geist in der Welt draußen aufzufrischen, sondern auch, um nach endlosen Jahrzehnten im Palast etwas Abwechslung zu finden. Selbst dann erzählten sie den anderen fast immer, daß sie für eine Weile fort müßten und wohin sie gingen.
Von ihren drei Freundinnen hatte keine dies getan. Nach dem Tod der Prälatin hatte man nur plötzlich ihr Fehlen bemerkt. Verna tat das Herz vor Sorge weh, daß sie sie vielleicht einfach nicht als Prälatin akzeptieren konnten und sich statt dessen entschieden hatten, den Palast zu verlassen. Doch sosehr dies auch schmerzte, betete sie, daß es das war, was sich ihrer bemächtigt hatte, und nicht etwas Finstereres.
»Solltest du irgend etwas hören, Phoebe«, sagte Verna und versuchte, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen, »bitte komm und erzähle es mir.«
Als die Frau gegangen war, errichtete Verna ihren eigenen Schild an der Türinnenseite, einen Kontrollschild, den sie eigenständig entworfen hatte. Die zarten Fäden waren aus ihrem eigenen, einzigartigen Han gesponnen – eine Magie, die sie als die eigene erkennen würde. Wenn jemand versuchte, einzudringen, würde er den durchsichtigen Schild vermutlich nicht bemerken. Selbst wenn es ihm gelang, ihn zu entdecken, würde er die Fäden durch die bloße Suche nach einem Schild unvermeidlich zerreißen. Und wenn er dann versuchte, das Gewebe mit seinem eigenen Han zu reparieren, würde Verna auch das feststellen.
Verschwommenes Sonnenlicht sickerte durch die Bäume nahe der Gartenmauer und tauchte den stillen, bewaldeten Bereich des Zufluchtsortes in ein gedämpftes, träumerisches Licht. Das kleine Waldstück endete an einer Gruppe Lorbeerbäume, deren Äste schwer von haarigen, weißen Blüten waren. Der Pfad dahinter wand sich schlängelnd in ein wohlgepflegtes Fleckchen mit einem blau und gelb blühenden Bodengewächs, das Inseln aus größeren Farnen und Monarchenrosen umschloß. Verna brach einen Ast des Lorbeerbaumes ab und genoß voller Muße den würzigen Duft, während sie den Pfad entlangschlenderte und die Mauer absuchte.
Am hinteren Ende der Bepflanzung stand ein Dickicht aus glänzenden Sumachbäumen. Die Reihe kleiner Bäumchen war absichtlich so angeordnet, daß die hohe Mauer verdeckt wurde, welche den Garten der Prälatin schützte, um so die Illusion eines weitläufigeren Geländes zu erzeugen. Verna betrachtete die gedrungenen Stämme und die breitgefächerten Äste kritisch – vielleicht genügten sie, wenn sich nichts Besseres finden ließ. Dann ging sie weiter, denn sie war bereits spät dran.
Auf einem kleinen Nebenpfad auf der Rückseite jenes wildbewachsenen Fleckens, wo das Heiligtum der Prälatin verborgen stand, entdeckte sie eine vielversprechende Stelle. Sie raffte ihr Kleid hoch und schlug sich durch das Gestrüpp zur Mauer durch. Perfekt! Nach allen Seiten hin hinter Fichten versteckt, lag ein kleines, sonnenbeschienenes Fleckchen, wo Birnenbäume an der Mauer Spalier standen. Sie waren zwar alle beschnitten und gestutzt, einer aber schien besonders gut geeignet – die Äste zu beiden Seiten wechselten sich ab wie Sprossen einer Leiter.
Verna wollte gerade ihre Röcke hochnehmen und zu klettern beginnen, als die Oberfläche der Rinde ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie rieb mit dem Finger über die Oberseite der kräftigen Äste und stellte fest, daß sie sich hart und rauh anfühlte. Es schien ganz so, als sei sie nicht die erste, die heimlich den Garten der Prälatin verlassen wollte.
Sie kletterte auf die Mauerkante
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