Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Menschen, die zum Totengräber gingen, diesen nicht weniger teuer, aber die Mäuler der Lebenden wollten gestopft sein. Die Erinnerungen an die Verstorbenen waren bei ihnen allerdings nicht weniger verbrämt.
Verna und Warren blieben in der Tür stehen, die hinaus in einen winzigen Hinterhof führte, dessen Seiten steil und hoch voll Bauholz standen, das man senkrecht hinten an einen Zaun sowie an die verputzten Häuser zu den Seiten gestapelt hatte. In der Mitte, mit dem Rücken zu ihnen, stand ein schlaksiger, barfüßiger Mann in zerlumpter Kleidung, der die Blätter seiner Schaufeln mit einer Feile bearbeitete.
»Mein Beileid für den Verlust Eures lieben Anverwandten«, meinte er mit rauher, aber überraschend ernster Stimme. Dann nahm er die Arbeit mit Feile und Stahl wieder auf. »Kind oder Erwachsener?«
»Weder noch«, sagte Verna.
Der Mann mit den eingefallenen Wangen warf einen Blick über die Schulter. Er trug keinen Bart, sah aber so aus, als würde er sich so selten rasieren, daß er kurz davor stand, die Grenze zu überschreiten. »Dazwischen also? Wenn Ihr mir die Größe des Verstorbenen verratet, kann ich ihm eine passende Kiste zimmern.«
Verna hakte die Hände ineinander. »Wir haben niemanden zu begraben. Wir sind hier, um dir ein paar Fragen zu stellen.«
Er ließ seine Hände zur Ruhe kommen, drehte sich ganz um und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. »Tja, wie ich sehe, könnt Ihr Euch etwas anderes leisten als mich.«
»Interessierst du dich nicht für Ja’La?« fragte Warren.
Die niedergeschlagenen Augen des Mannes wurden ein wenig aufmerksamer, als er Warrens violettes Gewand ein zweites Mal betrachtete. »Die Leute mögen es nicht, wenn meinesgleichen bei Festlichkeiten in der Nähe ist. Verdirbt ihnen den Spaß, wenn sie mein Gesicht sehen, so als wäre es das Antlitz des Todes höchstpersönlich, der sich unter sie gemischt hat. Scheuen auch nicht davor zurück, mir zu sagen, daß ich nicht willkommen bin. Aber wenn sie mich brauchen, dann kommen sie. Dann kommen sie und tun, als hätten sie nie zuvor die Augen abgewendet. Ich könnte sie für einen reichverzierten Sarg zahlen lassen, den die Toten ohnehin nicht sehen, aber das können sie sich nicht leisten, und ihre Münzen nützen mir nichts, wenn ich ihnen ihre Ängste übelnehme.«
»Welcher von beiden bist du«, fragte Verna, »Meister Benstent oder Meister Sproul?«
Seine schlaffen Lider verzogen sich zu einem Gewirr von Falten, als er sie von unten herauf ansah. »Ich bin Milton Sproul.«
»Und Meister Benstent? Ist er auch hier?«
»Ham ist nicht da. Worum geht es?«
Verna setzte eine unbekümmerte Miene auf. »Wir sind aus dem Palast und wollten uns nach einer Rechnung erkundigen, die man uns geschickt hat. Wir wollen uns lediglich vergewissern, daß sie korrekt ist, dann ist alles in Ordnung.«
Der knochige Mann wandte sich wieder seiner Schaufel zu und strich mit der Feile über deren Kante. »Die Rechnung stimmt. Wir betrügen die Schwestern nicht.«
»Wir wollen selbstverständlich nichts dergleichen unterstellen. Es ist nur so, daß wir keinen Beleg darüber finden können, wer es war, den du begraben hast. Wir wollen lediglich herausfinden, wer verstorben ist, dann können wir die Zahlung veranlassen.«
»Weiß ich nicht. Ham hat das gemacht und auch die Rechnung geschrieben. Er ist ein ehrlicher Mann. Er würde nicht mal einen Dieb betrügen, um zurückzukriegen, was man ihm gestohlen hat. Er hat die Rechnung geschrieben und mir gesagt, ich soll sie Euch schicken. Das ist alles, was ich weiß.«
»Verstehe.« Verna zuckte die Achseln. »Dann, schätze ich, werden wir Meister Benstent sprechen müssen, um die Sache aufzuklären. Wo können wir ihn finden?«
Sproul zog die Feile noch einmal übers Blech. »Weiß ich nicht. Ham wurde langsam alt. Er meinte, das bißchen Zeit, das ihm noch bleibt, wolle er bei seiner Tochter und seinen Enkeln verbringen. Er ist fort, um bei ihnen zu wohnen. Sie leben irgendwo unten im Süden.« Er ließ die Feile in der Luft kreisen. »Hat mir seine Hälfte von dem Laden hier vermacht, so wie er ist. Seine Hälfte der Arbeit auch. Wahrscheinlich muß ich für die Buddelei noch einen Jüngeren einstellen. Ich werde selber langsam alt.«
»Aber du mußt doch wissen, wo er hin ist, und was es mit der Rechnung auf sich hat.«
»Hab’ ich doch schon gesagt, ich weiß es nicht. Hat seinen Kram zusammengepackt, nicht daß es viel gewesen wäre, und sich einen Esel für die
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