Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Kontrolle.«
Ann fand keine Worte, daher nickte sie. Sie setzte sich wieder an den Tisch und schob ihren Stuhl ganz dicht heran. Nathan setzte sich rittlings auf den anderen Stuhl, brach sich ein Stück Brot ab und kaute, während er zusah, wie sie den Stift aus dem Rücken des Reisebuches zog.
Ann schrieb: Gehe morgen Abend, wenn der Mond aufgegangen ist, zu der Stelle, wo du dies gefunden hast. Sie schloß das Buch und steckte es in eine Tasche ihres grauen Kleides zurück.
Nathan sprach, den Mund voll Brot. »Hoffentlich ist sie klug genug und rechtfertigt dein Vertrauen.«
»Wir haben sie ausgebildet, so gut wir konnten, Nathan. Wir haben sie für zwanzig Jahre vom Palast fortgeschickt, damit sie lernt, ihren Verstand zu gebrauchen. Wir haben getan, was wir konnten. Jetzt müssen wir ihr vertrauen.« Ann küßte den Finger, an dem all die Jahre der Ring der Prälatin gesteckt hatte. »Geliebter Schöpfer, gib auch Du mir die Kraft.«
Nathan blies auf einen Löffel mit Eintopf. »Ich will ein Schwert«, verkündete er.
Ihre Stirn legte sich in Falten. »Du bist ein Zauberer, der seine Gabe vollkommen beherrscht. Warum, im Namen der Schöpfung, willst du ein Schwert?«
Er sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Weil ich glaube, daß ich mit einem Schwert an meiner Seite fesch aussehen würde.«
29. Kapitel
»Bitte«, hauchte Cathryn.
Richard blickte in ihre sanften, braunen Augen und strich ihr sanft eine schwarze Locke aus dem strahlenden Gesicht. Sie sahen sich an, und er hätte kaum den Blick abwenden können, es sei denn, sie hätte dies zuerst getan. So weit war es mit ihm gekommen. Ihre Hand auf seiner Hüfte sandte wohlige, sehnsüchtige Schauder durch seinen Körper. Verzweifelt bemühte er sich, ein Bild von Kahlan hervorzurufen, um dem Zwang zu widerstehen, Cathryn in die Arme zu schließen und ›ja‹ zu sagen. Sein Körper brannte darauf.
»Ich bin müde«, log er. Schlafen war das letzte, was er wollte. »Der Tag war lang. Morgen werden wir wieder Zusammensein.«
»Aber ich will –«
Er berührte ihre Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er wußte, wenn er diese Worte noch ein einziges Mal aus ihrem Mund hörte, wäre dies einmal zuviel. Dem vielsagenden Angebot ihrer Lippen, die mit einem feuchten Kuß an seiner Fingerspitze nuckelten, konnte er fast ebensowenig widerstehen wie der unverhohlenen Aufforderung, die in ihren Worten lag. Sein umnebelter Verstand bekam kaum mehr zusammenhängende Gedanken zustande.
Einen aber doch: Geliebte Seelen. Gebt mir Kraft. Mein Herz gehört Kahlan.
»Morgen«, brachte er hervor.
»Das habt Ihr gestern schon gesagt, und ich habe Stunden gebraucht, um Euch zu finden«, hauchte sie und gab ihm einen Kuß aufs Ohr.
Richard hatte sich mit dem Mriswithcape unsichtbar gemacht. Es war ein klein wenig einfacher, ihr zu widerstehen, wenn sie sich nicht unmittelbar an ihn wenden konnte, doch damit wurde das Unausweichliche nur aufgeschoben. Sobald er bemerkte, wie verzweifelt sie ihn suchte, wurden die Qualen für ihn unerträglich, und am Ende mußte er zu ihr.
Als sie ihm die Hand an den Hals legen wollte, ergriff er sie und küßte sie rasch. »Schlaft gut, Cathryn. Ich sehe Euch morgen früh.«
Richard sah zu Egan hinüber, der drei Meter weiter mit dem Rücken zur Wand und mit verschränkten Armen dastand und geradeaus starrte, als hätte er nichts gesehen. Hinter ihm, im Schatten des schlecht beleuchteten Ganges, stand Berdine ebenfalls Wache. Sie versuchte erst gar nicht, den Eindruck zu erwecken, als sähe sie ihn nicht vor der Tür stehen, während Cathryn sich an ihn schmiegte. Seine anderen Bewacher, Ulic, Cara und Raina, hatten sich ein wenig hingelegt.
Richard brachte eine Hand hinter seinen Rücken und drehte den Türknauf. Sein Gewicht drückte gegen die Tür und ließ sie aufspringen, dabei trat er zur Seite, und Cathryn stolperte in ihr Zimmer. Gerade noch konnte sie sich an seiner Hand festhalten. Sie sah ihm in die Augen und küßte ihm die Hand. Fast hätten die Knie unter ihm nachgegeben.
Richard wußte, er würde ihr nicht länger widerstehen können, wenn er ihr nicht aus den Augen ging, und zog die Hand zurück. In Gedanken legte er sich Ausflüchte zurecht, warum es in Ordnung wäre, nachzugeben. Was konnte es schaden? Was war daran so schlimm? Wieso glaubte er, es wäre so falsch?
Es fühlte sich an, als hätte jemand eine dicke Decke über seine Gedanken gelegt und sie damit erstickt, bevor sie an die
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