Die Günstlinge der Unterwelt - 5
riesigen Wachen aufgetaucht und haben ihn fortgeschleppt.«
»Das ist schade. Es wäre sicherlich…«
Die plötzliche Stille im Saal ließ Tobias aufsehen. Lord Rahl starrte ihn an. Es war, als schaute man in die durchdringenden, grauen Augen eines Raubvogels.
Lord Rahls Blick wanderte weiter zu Lunetta. Sie erstarrte. Überraschenderweise huschte ein Lächeln über seine Lippen.
»Von allen Frauen auf dem Ball«, meinte Lord Rahl zu ihr, »ist dein Kleid das hübscheste.«
Lunetta strahlte. Tobias hätte fast laut aufgelacht. Lord Rahl hatte den anderen Anwesenden im Saal gerade auf einschneidende Weise klargemacht, daß ihr gesellschaftlicher Rang für ihn nichts zählte. Plötzlich fing Tobias an, sich zu amüsieren. Vielleicht wäre der Imperialen Ordnung mit einem Mann wie diesem unter ihren Führern gar nicht schlecht gedient.
»Die Imperiale Ordnung«, begann Lord Rahl, »glaubt, die Zeit sei gekommen, die Welt unter allgemein verbindlichen Regeln – den ihren – zu vereinen. Diese Leute sagen, Magie sei für jedes Versagen, für alles Unglück und sämtliche Sorgen der Menschen verantwortlich. Sie behaupten, alles Unheil ginge auf den äußeren Einfluß von Magie zurück. Sie sagen, die Zeit sei gekommen, daß die Magie aus der Welt verschwinde.«
Einige im Saal gaben ihm murmelnd recht, andere brummten skeptisch, doch die meisten blieben stumm.
Lord Rahl legte einen Arm über die Lehne des größten Sessels – desjenigen in der Mitte. »Damit ihre Vision sich erfüllt, und im Hinblick auf die von ihnen selbst verkündete göttliche Sache, wollen sie keinem einzigen Land seine Souveränität zugestehen. Sie wollen, daß sich alle ihrem Einfluß unterstellen und als ein Volk in die Zukunft schreiten: als Untertanen der Imperialen Ordnung.«
Er hielt einen Augenblick inne und blickte vielen unten im Saal in die Augen. »Magie ist keineswegs ein Quell des Bösen. Das ist lediglich eine Rechtfertigung für ihre Taten auf dem Weg zur Herrschaft.«
Ein Flüstern machte sich im Saal breit, und gemurmelte Debatten wurden lauter. Herzogin Lumholtz trat energisch vor und bat sich Aufmerksamkeit aus. Sie lächelte Lord Rahl zu, bevor sie den Kopf verneigte.
»Was Ihr da sagt, Lord Rahl, ist ja sehr interessant, aber der Lebensborn hier« – mit einer knappen Bewegung ihrer Hand deutete sie auf Tobias und funkelte ihn dabei eiskalt an – »sagt, alle Magie sei ein Auswurf des Hüters.«
Weder sagte Brogan etwas noch rührte er sich von der Stelle, Lord Rahl sah nicht in seine Richtung, sondern hielt statt dessen den Blick auf die Herzogin gerichtet.
»Ein Kind, das neu in diese Welt kommt, ist Magie. Wollt Ihr das als Unheil bezeichnen?«
Ein gebieterisches Heben ihrer Hand ließ die Menschenmenge in ihrem Rücken verstummen. »Der Lebensborn predigt, Magie sei vom Hüter selbst erschaffen und könne daher nur eine Verkörperung des Bösen sein.«
Zustimmende Rufe erschallten von verschiedenen Stellen unten im Saal und oben auf dem Balkon. Diesmal war es Lord Rahl, der die Hand hob und die Menge zum Schweigen brachte.
»Der Hüter ist der Zerstörer, der Verderber allen Lichts und Lebens, der Hauch des Todes. Wie ich erzählen hörte, ist es der Schöpfer mit seiner Macht und Erhabenheit, der alle Dinge ins Leben ruft.« Fast wie aus einem Mund schrie die Menge, dies sei wahr.
»Wenn das so ist«, sagte Lord Rahl, »dann ist der Glaube, daß Magie vom Hüter stammt, eine Gotteslästerung. Wäre der Hüter imstande, ein neugeborenes Kind zu schaffen? Dem Hüter die Fähigkeit zur Schöpfung zuzuschreiben, die allein das Reich des Schöpfers ist, hieße dem Hüter eine Reinheit zugestehen, die nur dem Schöpfer innewohnt. Der Hüter ist nicht zur Schöpfung fähig. An einem solch profanen Glauben festzuhalten, kann nur als Ketzerei bezeichnet werden.«
Stille senkte sich wie ein Leichentuch über den Saal. Lord Rahl legte den Kopf seitlich und sah die Herzogin an. »Seid Ihr deshalb vorgetreten, Mylady, weil Ihr Euch als Ketzerin offenbaren wollt? Oder einfach nur, um einen anderen zu Eurem persönlichen Vorteil der Ketzerei zu bezichtigen?«
Mit einem Gesicht, das ein weiteres Mal so rot wurde wie ihre zusammengepreßten Lippen, wich sie mehrere Schritte zurück und stellte sich wieder neben ihren Gatten. Der Herzog, dessen Gesicht nicht länger ruhig blieb, drohte Lord Rahl mit dem Finger.
»Eure verdrehten Worte werden nichts an der Tatsache ändern, daß die Imperiale Ordnung gegen das Unheil
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