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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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welcher ›Unberührtheit, ganz so, als gehe ihn das alles nichts an‹, Ladowsky während des Verfahrens aufgetreten sei, wobei auch der angebliche Schwächeanfall der ›Bestie von Walldorf‹ den Eindruck hinterlassen habe, als sei er simuliert gewesen – und so füllten sich am Montag die Lücken unter den Demonstrierenden mit Frankfurter Bürgern. Denn demonstriert wurde weiterhin. Auch der Ansturm auf die zu vergebenden Zuhörerkarten nahm nicht ab, sondern zu.
    Isabella war um die Pause froh.
    Den ganzen Sonntag über nahm sie sich Dossiers und Unterlagen vor, Material, das ihr die Kanzlei Reuter zugesandt hatte. Sie las und las und feilte an ihrem Gutachten.
    Über die sonntäglich ruhige Straße vor ihrem Haus fuhren noch immer die Streifenwagen der Polizei. Und als sie einmal hinüber zum Park ging, folgten ihr zwei Männer in hellen Sportblousons und ließen sie nicht aus den Augen.
    Zurück in der Wohnung, griff sie zum Telefon und wählte die Nummer, die Berling ihr gegeben hatte.
    Sie hatte ihn auch sofort am Apparat.
    »Sagen Sie mal, könnte es sein, daß Sie mir auch noch eine Leibwache abgestellt haben?«
    »Das könnte nicht sein – das ist so.«
    »Und warum?«
    »Nun, wir hielten es einfach für besser.«
    Diesmal fragte sie nicht, was unter ›wir‹ zu verstehen wäre. Sie sagte. »Haben Sie etwa neue, bedrohliche Erkenntnisse?«
    »Ja«, kam es knapp. »Leider.«
    »Na wunderbar«, entgegnete sie, fragte aber nicht weiter, sondern wollte auflegen.
    Doch er war schneller: »Bitte, Frau Reinhard, halten Sie sich an die Regel: Vorhänge und Schlösser zu. Und kontrollieren, was überhaupt kontrollierbar ist. Versprechen Sie mir das?«
    »Ja.«
    Sie setzte sich wieder an ihren Tisch, schrieb weiter und wunderte sich, woher sie die Ruhe dazu nahm. Aber es war so: Eine heitere, ruhige Gelassenheit hatte sie erfaßt. Und sie brauchte sie …
    * * *
    Montag. Der Angeklagte hatte sich wieder erholt, und in zwanzig Minuten sollte der Prozeß fortgesetzt werden. Isabella saß mit Reuter in einer kleinen Croissanterie in der Heiligkreuzgasse, ganz in der Nähe des Gerichtsgebäudes, und trank Kaffee.
    »Sie müssen essen, Isabella. Das beruhigt. Nehmen Sie die mit Kümmel und Schinken, die sind wirklich exzellent.«
    Sie spürte keinen Appetit, nickte aber und betrachtete mit einem Gefühl abwesender Rührung das dieses Mal sorgsam gefönte, in der Sonne leuchtende weiße Haar des Verteidigers. »Sagen Sie – nachdem Sie die beiden, Saynfeldt und Lüttker, nach der Anklageerhebung schon angegangen sind, warum haben Sie dann am Ende den Befangenheitsantrag doch nicht gestellt?«
    Reuter lächelte. »Oh, beim Ankläger geht das nicht, aus verfahrensrechtlichen Gründen. Und Lüttker – wissen Sie, Isa, das ist alles ein wenig wie beim Theater … Eine Verteidigung zu führen heißt nicht zuletzt auch Regiearbeit zu leisten. Und Regiearbeit? Da kommt es wieder auf den Kontrast an … Es hat etwas Künstlerisches. Wie bei einem Bild, auch es lebt von den Gegensätzen. – Lassen wir diesen Betonkopf von Lüttker doch sein ganzes Repertoire abspielen, um so wirksamer können Sie dann den Kontrast in Szene setzen.«
    Um so wirksamer …? Wieder flogen sie die Zweifel an.
    »Also dann nochmals, Isa«, fuhr er fort: »Die Schöffinnen … Oder haben Sie vergessen, sich über Sonntag mit dem Thema zu beschäftigen?«
    »O Gott …« Sie biß erbittert in ihr Croissant. »Ich habe ein total schwindendes Merkvermögen, leide an Alzheimer.«
    »Regen Sie sich mal wieder ab und verstreuen Sie nicht so die Krümel auf dem Tisch.«
    »Ja, Papi.«
    »Schon besser. Es ist nun mal so: Die beiden Damen sind deshalb so entscheidend, weil sie unter Umständen am leichtesten zu beeinflussen sind.«
    »Auch das habe ich schon gehört.«
    »Und das Resultat?«
    Sie schluckte und trank Kaffee nach. »Na gut, Nummer eins – diese Gewerbelehrerin.«
    »Doris Steffen.«
    »Richtig, die Steffen, sie scheint mir ziemlich problematisch. Außerdem, nach dem Bewerbungsschreiben zu urteilen, das Sie sich da besorgen konnten – ein großes Licht ist sie nicht. Wenn man ihre Körpersprache und ihren Gesichtsausdruck verfolgt – introvertiert, zugleich geltungsbedürftig und aggressiv, würde ich sagen. Eine ziemlich merkwürdige Mischung übrigens.«
    »Das ist nicht alles. Die Frau ist geschieden.«
    »Was ja noch lange nicht zu bedeuten braucht, daß sie alle Männer haßt.«
    »Nein. Nur leider – sie wurde geschieden wegen

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