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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mißhandlung in der Ehe.«
    »Scheiße«, seufzte Isa.
    »Richtig. – Nun, die andere, diese Thiersen, Christa … Sie ist beinahe zwanzig Jahre jünger als die Steffen, was in unserem Fall ja keinen Fehler zu bedeuten braucht.«
    »Und zweitens«, sagte Isabella, »hat sie meines Erachtens einen bedeutend höheren IQ, obwohl sie nur medizinisch-technische Assistentin geworden ist.«
    »Aber erst, Isabella, nachdem sie ihr Studium abbrechen mußte. Sie hatte nämlich bereits an der Uni angefangen, aber aus finanziellen Gründen dann schlappgemacht.«
    »Gab's da auch irgendwelche Männer, die sie mies behandelten?«
    »Meines Wissens – nein«, sagte Reuter. »Jedenfalls, auf diese Frau setze ich. Gelingt es, ihr einigermaßen geschickt zu kommen, könnte sie sogar ein Trumpf werden … Auch wenn Sie aufschreien, ich kann es nicht oft genug wiederholen: Sehen Sie bei Ihrem Vortrag die Schöffinnen an. Bringen Sie Argumente, die Frauen ansprechen.«
    »Die Frauen ansprechen? – Professor, wenn Sie mir unter diesen Umständen nur ein Argument nennen können, dann zahle ich das Frühstück.«
    »So? Und das weibliche Mitleid? – Mitleid mit einem in der Entwicklung gestörten, traumatisch geschädigten und daher unzurechnungsfähigen Angeklagten …? Und da wir schon dabei sind: Es wird sich nicht vermeiden lassen, daß ich Sie als Zeugin aufrufen muß.«
    »Wegen der Puppen?«
    »Ja.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Für mich ist die Puppengeschichte einer meiner wichtigsten Gutachtenpfeiler. Und jetzt kommen Sie und wollen das im Zeugenstand aborgeln?«
    »Ich will gar nichts aborgeln. Wir behandeln nur dasselbe Thema. Sie wissen doch, Isabella – oder muß ich Ihnen das auch nochmals sagen? – Wir spielen ein Doppel.«

Sie gingen zu Fuß zum Gerichtsgebäude, und schon nach wenigen Schritten tauchten hinter ihnen zwei mit Jeans und lässig-weiten Sportblousons bekleidete Herren auf.
    Reuter schien seinen Bewacher zu kennen, es war der Blonde, der größere der beiden jungen Männer. Er blieb stehen und wünschte ihm einen guten Morgen. Schon aus der Ferne waren durch die engen Straßenschluchten die Menschenmengen hinter den Absperrgittern zu sehen; man erkannte Plakate, schwarze Luftballons mit den Namen ermordeter Kinder, die schwarzen Fahnen mit den weißen Kreuzen der ›Liga gegen Gewalt‹.
    »Ich glaube, wir nehmen besser eine Abkürzung«, sagte der Blonde und führte sie nun durch einen Hinterhof.
    Nachdem sie die pompösen, geschwungenen Treppen des Eingangs des alten Gebäudes hochgestiegen waren, trennten sie sich. Reuter hatte auf der Geschäftsstelle zu tun, Isa bog um die Ecke zum Sitzungssaal – und blieb stehen.
    Sie hatte ihn zuvor nicht gesehen. Eine der glänzenden, braunen Marmorsäulen hatte ihn verborgen, aber da stand er nun, keine drei Meter von ihr entfernt und in der ganzen Pracht seiner schwarzseidenen Toga: der Ankläger des Staates, der Oberstaatsanwalt Richard Saynfeldt, und neben ihm, gut zwei Köpfe kleiner, Saynfeldt gerade bis zur Brust reichend, Professor Lüttker, sein Gutachter.
    Richards Augen funkelten.
    Sie brachte noch nicht einmal das kurze ›Guten Tag‹ heraus, das sie sich für einen solchen Fall vorgenommen hatte.
    Und Richard starrte.
    Sie nickte, das zumindest, und wollte sich gerade mit hochgerecktem Kinn nach links wenden, als sie von hinten jemand anrempelte. Sie warf einen Blick zurück … Jemand? Zwei, drei waren das, immer die gleichen Figuren, eine davon eine Frau, gelbe Presseschilder am Revers, Kameras in der Hand – sie machte einen Schritt, rutschte, und hätte nicht einer der Reporter zugegriffen, wäre sie womöglich zu Saynfeldts Triumph genau vor seinen blankgewienerten Schuhen auf den Boden geknallt. Was ihr blieb, war eine groteske Charlie-Chaplin-Drehung, was kam, war ein Gewitter von Kamerablitzen.
    »Unverschämtheit!« Vor ihren Augen tanzten rote Flecken. Die verdammten Blitzlichter waren direkt auf ihr Gesicht gerichtet gewesen.
    Dann erkannte sie das Mädchen. Es hatte ein Mikrofon in der Hand und stand jetzt hinter Saynfeldt. Sie wußte, daß sie das Gesicht schon einmal gesehen hatte – ja, richtig, die Dame, die bei seiner Straßenkonferenz mit soviel Inbrunst zu ihm hochgestarrt hatte …
    Sie schüttelte sich, als wäre sie unter die Dreckspritzer einer Straßenramme geraten, und ging weiter …
    * * *
    Isas Rücken schmerzte. Es war der dritte Tag des Prozesses, und die Beweisführung zog sich ins Endlose. Richard Saynfeldt hatte

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