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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Blättern war ein flirrendes, flüsterndes Geräusch, als der Wind, der vom Hang kam, hindurchstrich.
    Und sonst war nichts …
    Oder doch?
    Sie stieg aus, legte beide Arme auf das Dach des Wagens und starrte dort hinüber, wo die kleine Straße sein mußte. War da etwas …? Nein, sie hatte sich getäuscht. Der Hund bellte wieder. Doch – da war etwas, schon sehr nah: Ein Knacken, dort unten am Feld, dann Schritte – ja, Schritte … und plötzlich stand er vor ihr. Die letzten Meter über die Böschung hatte er vollkommen lautlos zurückgelegt; so plötzlich tauchte er aus der Nacht auf, daß sie zusammenschrak.
    »Isa?«
    Dieses Mal war sie es, die die Arme öffnete. Er hatte es geschafft! Und in ihr war nichts als eine blinde, betäubende Dankbarkeit.
    »Los, rein in den Wagen. Nun mach schon.«
    Er saß bereits, als sie die Scheinwerfer einschaltete und den Motor startete. Sie wendete den Golf auf der Straße, schaffte es sogar, ohne noch einmal zurückzusetzen, und gab Gas.
    Ludwig Ladowsky aber bog den Körper zurück, warf die Arme hoch und drückte die Hände gegen das Dach, als wolle er es wegrücken. »Nach Österreich!« schrie er. »Nach Österreich!«
    * * *
    Der Ort Lechtmoos im Salzkammergut wurde auf den Landkarten meist mit einem besonderen Stern für seine landschaftliche Schönheit ausgezeichnet. Er bestand aus einer Handvoll Bauernhöfe. Der Wald und die Täler, die ihn umgaben, lagen im Kaiserwald.
    Auf den Weiden um Lechtmoos waren nur noch wenige Kühe zu sehen. Die Menschen lebten in ihrer Mehrzahl schon lange nicht mehr von der Landwirtschaft, sondern vom Tourismus, der sich Jahr um Jahr in das Drei-Seen-Gebiet zwischen Salzburg und Höllengebirge ergoß. Hier am Attersee allerdings wirkte die Landschaft nicht so imposant wie in anderen Ecken des Salzkammerguts, doch man konnte sie beruhigend, ja lieblich nennen mit ihren weichen, waldbestandenen Kuppen, den grünen Mulden der Täler und den blauen Augen der Seen, die zwischen den Stämmen der Fichten und Lärchen leuchteten.
    Einen großen Hof mit mehr als zwanzig Kühen allerdings gab es noch in Lechtmoos: den Kofler-Hof. Auch sein Besitzer, der Kofler-Franz, hatte sich längst der Zeit angepaßt. Seine Sägerei lieferte zwar das Bau- und Möbelholz für die Schreinereien von Nußdorf bis St. Wolfgang, doch der Kofler selbst parkte seinen großen Mercedes-Geländewagen nur noch an den Wochenenden auf dem Hof, denn die Zimmer waren ja meist an Touristen vermietet, an die Sorte von Leuten, die eben noch Stallgeruch und Forstwege liebten – Hofferien halt … Die gönnte ihnen der Kofler. Er selbst zog seine große Wohnung unten im Gasthof ›Zum Kaiserwald‹ in Nußdorf vor. Dorthin kamen die schicken Touristinnen, und abends konnte man auch noch ein bißchen über Politik reden oder Geschäfte machen.
    Zum Kofler-Hof gehörte noch ein zweites, weit kleineres Anwesen, das ›Schafbach-Haus‹. Die Eltern vom Franz hatten es, nachdem sie den Hof übergaben, bis zu ihrem Tod vor zwölf Jahren bewohnt. Damals ließ er es – weil sich das so gehörte – ein Jahr leerstehen, doch dann setzte sich wieder sein gesunder Geschäftssinn durch, und er vermietete es gleichfalls an Touristen. Unter seinen ersten Kunden waren zwei Psychologen aus Frankfurt: Peter Aman und Dr. Isabella Reinhard.
    Um dieses Haus ging es, als Isabella am Freitag mittag zuerst auf dem Kofler-Hof, dann im Hotel ›Kaiserwald‹ in Nußdorf anrief. Sie hatte Glück: Im Hotel bekam sie Franz Kofler an den Apparat.
    »Frau Dr. Reinhard? Aber klar erinnere ich mich an Sie! Ja, so was … Ja, Grüß Sie Gott! Ja, wollen S' denn wiederkommen? Am Sonntag schon? – Und wieder mit so einer Gruppe von …«
    Im letzten Augenblick zerbiß sich der Kofler das Wort ›Spinneter‹, das ihm bereits auf der Zunge gelegen hatte. Schließlich: ›Spinnete‹ waren das ja auch nicht, hatte ihm die Reinhard erklärt, nein, spinnet waren die nicht, die mußten wegen ›Problemen‹ behandelt werden, ›therapiere‹, wie sie sagte. Probleme, wer hat die nicht …? Und gut bezahlt hatten s' auch. Denen saßen die Schillinge locker in der Tasche. Alles G'stopfte, machten Wanderungen, waren freundlich, bloß saufen, da war nix drin, weder Wein noch Bier, noch Schnaps – Mineralwasser, das ja …
    Das müsse so sein, sagte die Reinhard. Ein fesches Weib, so was Exotisches hatte die. Eine Frau Doktor. Auch der Name exotisch, ja, Isabella – Frau Dr. Isabella Reinhard …
    »Kommen S' nur«,

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