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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trompetete der Kofler. »Für Sie hab' ich doch immer was frei, Isabella … Auf dem Hof ist es ein bisserl eng, aber oben im Schafbach-Haus gibt's die zwei Zimmer. Sie kennen's ja … Sie haben ja damals schon droben g'wohnt. Aha, Sie bringen jemand und kommen dann später nach? Macht doch nix … Ich kann Ihnen natürlich nicht den ganzen Mietpreis schenken, aber ermäßigen – ermäßigen tu' ich schon …«
    Es war besser gelaufen, als Isabella zu erwarten gewagt hatte. Es gab nur noch ein Problem …
    »Ja, wenn der Herr erst um zwei in der Nacht ankommt, ist bei uns natürlich niemand mehr auf. Aber ist ja wurscht. Den Schlüssel laß ich, wo wir ihn früher auch immer glassen harn. Erinnern Sie sich noch: Im Holzschuppen, da ist doch rechts der alte Brotofen, da wird er reingelegt.«
    Das war also erledigt.
    Isabella fiel eine Zentnerlast von der Brust.
    »Vielen Dank, Herr Kofler, Sie sind wirklich ein Schatz!«
    »Werd' ich bleiben, Frau Isabella. Aber daß Sie nicht gleich mitkommen, ist wirklich ein Jammer. – Vierzehn Tage später? Ja, da freu' ich mich aber … Und darf man wissen, wie lange …«
    Das könne sie noch nicht genau abschätzen, hatte Isabella gesagt. Und dann dachte sie an Peter Aman. Mit ihm und seiner Gruppe war sie zum erstenmal in Lechtmoos gewesen. Soweit sie wußte, war seine Verbindung mit Kofler längst abgerissen. Er sprach nie über ihn. Und dennoch, vielleicht war es klüger, später den Aufenthaltsort zu wechseln.
    Man würde sehen …
    Im Augenblick jedoch schien das Schafbach-Haus als Versteck geradezu ideal.
    »Ja dann, Isabella«, kam es vom fernen Attersee, »küß die Hand. Und hoffentlich bis bald … Und um Ihren Schützling machen Sie sich keine Sorgen, der kann kommen, so spät er will, wir stellen ihm trotzdem was zum Essen hin …«
    * * *
    Spät in der Nacht würde es werden.
    Isabella hatte aus dem armen alten Golf herausgeholt, was drinsteckte, längst hatten sie München passiert und näherten sich der Chiemseegegend. Wieder sah sie auf die Uhr: zwei Uhr früh.
    »Laß mich doch endlich fahren, Isabella.«
    Die erste halbe Stunde hatte Ludwig Ladowsky kaum ein Wort herausgebracht, hatte nur so dagesessen, ungläubig, wie versunken, hatte manchmal den Kopf gedreht, sie angestarrt und dann wieder nach vorne geblickt.
    »Österreich … in die Berge«, hatte er wieder gemurmelt. »In die Berge … o Isa …«
    Später würde sie oft an die Fahrt denken. Und an diese ersten Stunden, die ihr so unglaublich, so unwirklich erschienen. Alle ihre Sinne waren gespannt, und stets war es dieselbe Litanei, die ihr Bewußtsein repetierte: Paß bloß auf – Polizeifahrzeuge sind nicht ohne weiteres zu erkennen! Es gibt auch Zivilstreifen, selbst auf der Autobahn … Das Bordradio dudelte leise vor sich hin. Sie wartete auf die Sprecherstimmen, hatte ›Bayern III‹ keine Sekunde abgeschaltet, und jedesmal, wenn Nachrichten kamen, auf volle Lautstärke gedreht.
    Die Vereinten Nationen hatten beschlossen, eine neue Kommission nach dem Irak zu senden … Die Arbeitslosigkeit wuchs weiter an, und in China hatte ein Erdbeben vierzig Todesopfer gefordert …
    Das ja. – Aber kein Wort über den Ausbruch eines der berüchtigtsten Kriminellen der letzten Zeit. Ludwig hatte also recht gehabt: Das Glück begleitete sie. Auch der Nachtkontrollgang in der Anstalt schien ausgefallen zu sein.
    Nach Süden, dachte sie, nach Süden …
    Die Autobahn München-Salzburg war um diese Zeit nur wenig befahren. Und wenn ein Wagen vorüberzog, wenn Scheinwerfer aufblendeten oder eine Gruppe von Fahrzeugen entgegenkam, war ihr jedesmal, als habe dies alles, die nachtdunklen, leeren Dörfer und Städte, die Scheinwerfer, die roten Rücklichter, ja die Welt dort draußen nichts mit ihr zu tun. Und war es nicht so? Sie hatte sich ausgeklinkt, sie bewegte sich am Rande der Welt, wie ein Stern am Rande einer Galaxie – in dieser Nacht hatte alles, was für andere galt, für sie seine Gültigkeit verloren …
    »Laß mich endlich fahren!«
    Er hatte ja recht. Sie spürte die Müdigkeit in ihrem ganzen Körper. Eigentlich müßte sie Pause machen, das wäre richtig. Schlafen, irgendwo im Wald, eine halbe Stunde wenigstens. Zu wenig Schlaf in den vergangenen Nächten, zuviel Streß, zuviel Nervenbelastung, und nun noch diese Wahnsinnsfahrt …
    Doch sie schüttelte den Kopf.
    »Mensch, Isa, war ja schließlich mein Job …«
    Nein, es war zu gefährlich. Die Perücke, die sie ihm gekauft hatte, lag auf

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