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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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paßt das ja zu Ihnen.«
    »Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment sein soll?«
    »Ich auch nicht. – Jedenfalls, nach dem Golfen überfällt mich eine einzige Obsession, und die ist wie ein Zwang: Ich muß hierher und Kuchen mampfen. Aber das interessiert Sie ja nicht … Hören Sie, Isabella – ich darf Sie doch beim Vornamen nennen? So was gehört zu den Privilegien des Alters, und die nütze ich absolut schamlos – also, Isabella; ich bin froh, daß Sie vor mir sitzen. Ich habe nämlich einen Fall angenommen, der mich sehr beschäftigt und der mir vielleicht auch Probleme bereiten wird, darüber bin ich mir jetzt schon klar … Und es ist ein Fall, der Ihnen vertraut ist.«
    »Wieso mir?«
    »Sie haben darüber geschrieben.«
    Hatte er sie nicht bei ihrem Telefonat auf diesen Artikel, auf Ladowsky angesprochen? Natürlich … Wie hatte sie es nur vergessen können.
    »Und was ist mit Ladowsky?«
    »Sie haben ihn geschnappt. Er liegt auf der Krankenstation des Untersuchungsgefängnisses in Preungesheim – und ist mein Mandant.«
    Sie sagte nichts. Sie wartete, daß er weitersprach.
    »Sehr begeistert wirken Sie nicht.«
    »In Ihrem Beruf geht man mit Gefühlen sparsam um, Herr Reuter«, sagte sie. »In meinem auch. Aber wie kamen ausgerechnet Sie …«
    »Ich suche mir die Fälle selber aus, wenn ich das kann.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände auf dem Bauch. »In diesem Fall handelt es sich bei dem Pflichtverteidiger um einen meiner ehemaligen Assistenten. Und der scheint damit völlig überlastet, zumindest ist er voll Sorge. Ich nahm ihm beides ab, den Fall und die Sorge. Ich sagte zu ihm: ›Hören Sie, Kollege, warum wollen Sie sich das antun? Ich werde Ladowsky verteidigen.‹«
    Auch darauf erhielt er keine Antwort. Reuter gab seine gemütliche Haltung auf und beugte sich blitzschnell nach vorne. Wieder sah er sie aus diesen intensiven, dunklen Augen an, und für eine Sekunde stellte sie sich vor, wie so etwas im Gerichtssaal wirken mußte – Reuter, sich weit über die Zeugen- oder Geschworenenbank dehnend. Zweifellos, er war ein Spitzenjurist, aber er war auch ein blendender Schauspieler.
    »Paß auf bei ihm, Isa«, hatte Jürgen gesagt, und sie dachte jetzt an seine Warnung: »Ehe du dich versiehst, hat der dich schon in der Tasche. Und das auch noch mit dem Kopf nach unten.«
    »Damit Sie mich verstehen, müssen Sie wissen, um was es mir geht. Wenn ich meine Kanzlei noch fortführe, dann nur, um interessante Fälle zu bekommen. Ich sammle sie, ich picke sie mir heraus wie Juwelen, denn diese Fälle sind meine Munition.«
    »Sie führen also Krieg? – Und auf wen schießen Sie?«
    »Lachen Sie nicht. Ich brauche die Fälle gewissermaßen in der Schlacht um die Rechtspflege. Um die Grundprinzipien herrscht ständig Krieg. Und ich verteidige meine Position.«
    »Aha.«
    »Langweile ich Sie?« Er erwartete keine Reaktion, er war schon weiter: »Gegen wen ich schieße? Es ist die Schlacht um den Angeklagten. Und sie wird geführt zwischen dem Verteidiger auf der einen und dem Ermittler und Ankläger auf der anderen Seite. Was ich dabei zu erkämpfen versuche, ist nichts anderes als Waffengleichheit. Und die ist vom Gesetzgeber vorgesehen.«
    »Das Grundsätzliche, die Waffengleichheit …? Und wo kommt Ladowsky ins Bild?«
    »Nicht nur Ladowsky, jeder Angeklagte. Die Gegenseite spielt sich mehr und mehr auf, versucht die Grenzen zu durchbrechen; da muß man schon den Mut aufbringen, dazwischenzufahren, um diesen Brüdern kräftig auf die Finger zu schlagen.«
    Er lächelte sie an. Und sie fragte sich: Auf was, lieber Himmel, will er bloß hinaus?
    »Ich sagte zuvor schon, Isabella, es liegt etwas Fundamentales in dieser Auseinandersetzung. Doch dazu kommt die deutsche Variante. Die Präponderanz von Anklägern und Ermittlern, ihre Aggressivität und ihr verdammt schwach ausgeprägter Wille, sich an das bestehende Gesetz zu halten, aber statt dessen im Namen des sogenannten Volkes jede Rücksicht fallen zu lassen … Wohin das führt, das wissen wir, und ich gehöre zu der Generation, die es erlebt hat. Ich weiß also, wovon ich rede. Und ich will zur Hölle fahren, wenn ich auf meine alten Tage nicht alles versuche, daß sich so etwas nicht wiederholt … Darum geht es, wenn wir mal pathetisch werden wollen, dies ist mein Kampf. Und ich habe mich an Sie gewandt, Isabella, weil Sie sich im Fall Ladowsky gleichfalls – nun, ich bin kein Fachmann, aber so sehe ich es – auf die Seite

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