Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Koffereinkäufen in der Innenstadt abhalten lassen, bei Gott nicht.
    Kurz schaute sie in den Spiegel, sehr kurz, warf sich die Handtasche um, ging die Treppe hinunter und stieß die Tür auf.
    Das gewohnte Bild: der schwarze Porsche vor dem Eisentor. Und Richard Saynfeldt, himmellang, die Hände in den Taschen, mit dem Rücken dagegen lehnend. Das Lächeln hatte er sich geschenkt. Seine Miene demonstrierte eine Art erhabener Ernsthaftigkeit.
    »Da bist du ja.«
    »Ja«, sagte sie. »Du auch?« Sie sah ihn an und wandte sich zum Gehen. Er war mit einem Schritt bei ihr und packte sie am Arm. Das kannte sie – wenn Richard Saynfeldt Zugriff, tat's meist weh.
    »Au!« rief sie. »Charmanter bist du in der Zwischenzeit nicht geworden, wie ich sehe. Lern endlich dazu.«
    Seine Stirn lief rot an, dennoch rang er sich ein Lächeln ab.
    »Isa, so einfach geht das nicht.«
    »Was?«
    »Das fragst du im Ernst …? Wir leben hier in Mitteleuropa. Und was die Art angeht, Beziehungen zu pflegen oder aufzulösen, haben wir bestimmte zivilisierte Standards. Wir sollten uns daran halten, Isa – besser: du solltest dir das in Erinnerung rufen.«
    »Oh?« lächelte sie.
    »Isa, wir müssen miteinander reden.«
    »Und das Thema? Daß dich deine Frau sitzenließ und nach Hamburg gefahren ist? Wie neulich im ›Roma‹?«
    Die Röte auf seiner Stirne hatte einem einzigen runden, roten Fleck Platz gemacht. Die Augen blickten kalt und zwingend oder versuchten es zumindest.
    »Lassen wir Karla aus dem Spiel. Es geht um etwas anderes.«
    »Um was?«
    »Um deine Arbeit.«
    »Ich wüßte nicht, was du mit meiner Arbeit …«
    »Komm!« Er öffnete den Schlag, faßte sie an der Schulter, sehr behutsam dieses Mal, und schob sie in den Sitz. Sie ließ es geschehen.
    Der Motor brummte. Sie deutete auf den Aschenbecher, der von Kippen überquoll. »Streß?«
    Er warf ihr einen kurzen Blick zu, sagte nichts und lenkte den Porsche auf die Fahrbahn.
    Der Verkehr war für Frankfurter Verhältnisse relativ erträglich, zu dieser Mittagsstunde war die Straße fast leer. Er fuhr in Richtung Holzhausenpark, das Gesicht starr geradeaus, kalt und unbeteiligt. Offensichtlich erwartete er, daß sie mit den Fragen beginnen würde. Sie schwieg.
    »Es ist ungeheuerlich«, hörte sie plötzlich.
    »Was ist ungeheuerlich?«
    »Wie du dich aufführst.«
    »Wie ich mich aufführe?« Sie glaubte, sich verhört zu haben. »Wie und wo führe ich mich denn auf?«
    Es riß ihm den Kopf herum. In seinen Augen stand kalte Wut – eine Wut, wie sie ihr auch in ihren schlimmsten Auseinandersetzungen mit ihm noch nie begegnet war.
    »Paß auf!« rief sie.
    Er hatte einen kleinen Jungen auf dem Rad übersehen, der, den Schulsack auf dem Rücken, fröhlich vor dem Kühler hin und her pendelte.
    Gute Reflexe hatte Richard Saynfeldt schon immer gehabt. Er zog den Porsche abrupt nach links.
    »Paß besser du auf!« brüllte er dabei.
    War er verrückt geworden? Oder war es etwas anderes – Alkohol? Sie kannte den Porschegeruch: Leder, seine englischen Zigaretten, ein bißchen Herrenparfüm, ein bißchen Benzin, aber zu dieser Mischung, so schien es ihr, hatte sich noch ein Duftfaktor gesellt: Whiskygeruch … Er war kein Säufer, das war Richard nie gewesen, aber dazwischen, um sich aufzupeppen, ein kleiner Schluck, meist aus Minifläschchen, die er in Packungen kaufte: »So ein Ding, und du bist wieder auf der Matte.«
    Sie hatten die Eckenheimer Landstraße erreicht. Alle Spuren waren überfüllt: Lieferwagen, Lkw, Pkw-Kolonnen, Dieselqualm, aus dem Motorräder auftauchten, die sich ihren Weg zur Spitze erkämpfen wollten. Er nahm nicht mal das Gas weg, nein, er beschleunigte, schob sich blitzschnell in eine Lücke, ohne für das empörte Hupen mehr übrig zu haben als ein verächtliches Kopfschütteln. Und wiederholte es nochmals:
    »Wirklich, Isabella, ich kann dir nur den guten Rat geben: Ab jetzt paß auf!«
    »Ich? – Und du? Gerade hättest du beinahe einen kleinen Schuljungen überfahren, dann wärst du um ein Haar dank deiner Brutalomasche von hinten gerammt worden.«
    »Red nicht läppisches Zeug. Es geht um was anderes.«
    »Darauf bin ich gespannt. Ich möchte, verdammt noch mal, wissen, warum du mich überfällst und hier durch die Gegend karrst, statt mich in Frieden zu lassen. Aber das sage ich dir gleich: Wenn du weiter so verrückt fährst, steig' ich aus … gleich hier!«
    »Wohl kaum«, sagte er trocken und gab Gas.
    Da hatte er recht. Sie fühlte sich

Weitere Kostenlose Bücher