Die Gutachterin
ließ man sie nicht in Frieden?
»Hören Sie, Herr …«
»Berling«, sagte er. »Oberkommissar Berling.«
»Hören Sie, Herr Berling, Nerven oder nicht, aber ich fühle mich jetzt wirklich am Ende meiner Kraft.«
»Das kann ich verstehen. Es ging mir nur darum, zu wissen, ob Sie irgend etwas erfahren haben, das auch für uns interessant oder aufschlußreich sein könnte.«
Sein Gesicht verzog sich enttäuscht, und für eine Sekunde war sie versucht, ihm von dem Zimmer mit den Puppen zu berichten. Sie gehörten bereits zu dem glühenden Brandschutt dort drüben, der noch immer kleine Flammen in die Nacht sandte … Und wieder sah sie die Puppen vor sich: alle vier, wie sie sie anstarrten, in putzigen Kleidern mit gekämmten Haaren.
Dieser Anblick war aufschlußreich gewesen – o ja …
Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht, Herr Berling, gibt's doch was, das ich vergessen habe.«
Auch die beiden anderen Polizisten wurden wieder aufmerksam. Alle drei starrten sie an.
»Ich kam nach Walldorf als Mitarbeiterin des Verteidigers von Herrn Ladowsky, um das gleich zu klären.«
Sie nickten, aber ihre Augen waren wachsam geworden. Berling lehnte sich ein wenig zurück.
»Könnte das bedeuten, daß Sie es vorziehen, uns etwas zu verschweigen?«
Sie schüttelte nur den Kopf.
Er erhob sich: »Sie wohnen in Frankfurt, Frau Doktor. Dort stehen Sie uns doch gewiß noch für Fragen zur Verfügung, falls irgendwelche auftauchen sollten? – Aber das ist noch 'ne ganz schöne Strecke. Und in Ihrem Zustand …? Also, ich weiß nicht, ich würde Sie gerne nach Hause bringen. Ich könnte Ihren Wagen fahren.«
Das überraschte sie doch. »Ich finde es wirklich sehr nett, daß Sie sich Sorgen machen, aber Sie können sich darauf verlassen: Ich habe keinen Schock erlitten. Ich schaff das auch alleine.«
»Trotzdem«, sagte er.
Als sie den Golf nach einem letzten Blick auf die glühenden, qualmenden und stinkenden Trümmerreste, die von Hilde Ladowskys Haus übriggeblieben waren, an Polizisten und glotzenden Neugierigen vorbei auf die Fahrbahn lenkte, folgte ihr ein zweites Fahrzeug. Berling, wer sonst? – Sie hatte ihn dreißig Minuten im Rückspiegel, bis sie endlich vor ihrer Wohnung eintraf.
Als sie ausstieg, kam der Wagen angeglitten: ein grauer Mercedes. Er rollte im Schrittempo. Sie hob die Hand und überlegte eine Sekunde, ob sie ihm nun einen Drink schuldig wäre, aber sie hatte keine Lust, jetzt auch noch einen Polizisten in ihrer Wohnung zu sehen.
Er drückte kurz auf die Hupe und gab Gas; die roten Rücklichter verschwanden hinter der nächsten Biegung …
Es klingelte.
Zaghaft zunächst, dann wieder. Isabella überlegte, ob sie öffnen sollte. Sie hatte ein Bad genommen, das warme Wasser genossen, wobei sie darauf achten mußte, ihren rechten Arm und ihre Hand nicht naß zu machen. War das möglich? Nachdem sie einen Mordanschlag überlebt, einen Menschen und sich selbst aus der Höllenhitze eines brennenden Hauses gerettet hatte … nachdem sie von der Polizei vernommen worden war, ihren Wagen anschließend selbst nach Hause gesteuert hatte, klingelte es. Vor allem aber: Es war zehn Uhr dreißig! Und da gab's einen Blödmann, der sie aus dem Bad jagen wollte …!
Wieder das Läuten. Kurz und schüchtern.
Peter, dachte sie, Peter Aman. Wer sonst?
Sie stand auf, schlüpfte triefnaß in ihren Bademantel und lief barfuß zur Tür. Anscheinend war unten die Haustüre nicht richtig geschlossen gewesen, jedenfalls, ein Mann stand im Treppenhaus.
Dieses Mal trug Reuter sogar eine Krawatte. Doch was ihr als erstes auffiel, waren der gewaltige Rosenstrauß und das ordentlich zurückgebürstete, weiße Haar.
»Tut mir wirklich ganz schrecklich leid, aber ich konnte einfach nicht anders …«
Sie zog den Frotteegürtel enger um die Taille und versuchte mit ihrer Überraschung fertig zu werden. »Dann kommen Sie halt rein, Herr Professor.«
»Das Fernsehen«, sagte er, »das Fernsehen ist schuld … Ich hab' die Bilder gesehen …«
Sie nahm ihm die Rosen ab und stand hilflos in ihrer eigenen Wohnung da, aber er hatte bereits die Küche entdeckt, einen Sektkübel besorgt, ihn mit Wasser gefüllt und die Rosen hineingestellt. Sie flüchtete in ihren Ohrenbackensessel, zog die Knie an und dachte: Himmel, wie siehst du aus? Wie eine angebrannte, ins Wasser gefallene Katze …
Er stand vor ihr. »Ich hab' mir gedacht, das Haus ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt – und Sie waren drin! Und dann fiel mir
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