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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›Befehle‹ erhalten – meistens drückt er sich ja ganz undeutlich aus, und oft ist auch kaum zu verstehen, was er sagt –, da hatte ich den Eindruck, daß er den Verrückten auch spielen und sich das aufgebaut haben könnte … Wer weiß schließlich besser Bescheid, um was es geht.«
    Sie erwiderte nichts.
    »Deshalb brauche ich Sie.«
    »Sie wollen, daß ich nach Preungesheim fahre, nicht wahr?«
    »Ja, und sich Ihr eigenes Bild machen. Schließlich sind Sie der Fachmann – die Fachfrau, nicht ich.«
    »Dann müßten Sie mir eine Besuchserlaubnis besorgen.«
    »Oh, machen Sie sich da keine Sorgen. Die hab' ich schon.«
    »Was?«
    Wieder dieses väterliche Lächeln auf seinem Gesicht: »Ich habe mir erlaubt, selbst ein wenig den Psychologen zu spielen. Und da dachte ich mir, es könnte ja sein, daß Sie Ihre Ablehnung noch revidieren … Na ja, ich plane gerne im voraus, vor allem bei Verfahren dieses Kalibers, also bin ich prophylaktisch vorgegangen. Jedenfalls, Sie brauchen nur noch den Besuchsantrag zu unterschreiben, dann können Sie ihn besuchen. Donnerstag um elf Uhr dreißig – falls Sie das wünschen …«
    * * *
    Das Bild war deprimierend genug: verrostete Stacheldrahtrollen auf altersschwarzen Gefängnismauern, verkümmerte Geranien zwischen rostigem Eisen. Hier gab's nur schwere Sicherheitstüren, Gitter, Überwachungskameras – und nun auch noch das:
    ›Piep‹ machte das blöde Ding.
    Wieder führte die Beamtin den elektronischen Detektor an Isas Hosenbund entlang. Schon vorher hatte sie alles über sich ergehen lassen, hatte die Schuhe ausgezogen, Schlüsselbund und Geldbörse in ein Fach gegeben.
    »Kommen Sie mit.«
    Erbittert, mit bestrumpften Füßen folgte Isa der Frau in Uniform. »Was wollen Sie denn jetzt noch?« Die anderen Besucher im Schleusenraum drehten die Köpfe. Sie stieß die Tür zu einer kleinen Kabine auf.
    »Leibesvisitation?« fragte Isa ungläubig.
    »Bleibt uns ja nichts anderes übrig.«
    »Was glauben Sie denn, was ich in meinem Slip verstecke? Eine Pistole?«
    »Es ist Vorschrift.«
    Natürlich, Vorschrift …
    Nun prüfte sie selbst den Bund der Jeans – und da fand sie die Ursache der ganzen Schererei: ein Fünffrankenstück aus dem Tessin. Es hatte in der kleinen Geldtasche gesteckt. Sie zog es heraus.
    »Na dann«, lächelte die Beamtin, »haben wir ja Glück gehabt.«
    Isa war sich da nicht so sicher. Noch nicht.
    »Ich bringe Sie ins Sprechzimmer.«
    »Ich kann doch unter vier Augen mit ihm reden? Ich habe deshalb noch extra bei der Anstaltsleitung angerufen, und man hat mir das zugesichert.«
    »Es ist nicht der Hauptsprechraum. Dieser Raum ist getrennt.«
    Isabella folgte ihr zu einer Tür, wo bereits ein zweiter Beamter auf sie wartete. Und dann war es wie zuvor: Schlüssel, die öffneten, Türen, die klirrend zuschlugen, nirgendwo, dachte sie, erfährst du so dramatisch, was eine Tür und ein Schloß bedeuten.
    Sie standen erneut vor einer grünen Stahltür. »So, bitte …«
    Der Beamte öffnete sie.
    Sie trat ein.
    Der Raum war klein. Das erste, was sie erkannte, war die Wand aus starkem Plexiglas, die ihn in der Mitte trennte. Davor stand ein Stuhl. In dem Plexiglas waren Löcher angebracht, durch die man sich wohl mit dem Gefangenen verständigen konnte. Das Glas spiegelte grau. Sie konnte nichts erkennen als einen Schatten.
    Wütend drehte sie sich zu dem Beamten um, um zu protestieren.
    Doch er war verschwunden.
    Sie ging zu dem Stuhl, setzte sich – und dann sah sie Ludwig Ladowsky. Sie lächelte, nickte zur Begrüßung und legte ihre Hand in einer Art Begrüßungsritual gegen die verdammte Scheibe – ja, es war das Gesicht, das sie von den Aufnahmen kannte, nur magerer und von einem großen Pflaster entstellt, das sich von seiner linken Schläfe bis zum Kinn hinzog. Es war das Gesicht eines hübschen und völlig verzweifelten Jungen. Die Augen waren weit aufgerissen und von einem tiefen, fast unnatürlichen Blau, die Wimpern an den rötlichen, aufgequollenen Lidern lang wie die eines Mädchens … Unwillkürlich mußte sie an die Puppen dort in dem brennenden Haus denken.
    »Guten Tag, Herr Ladowsky. Ich bin Isabella Reinhard. Ihr Verteidiger hat Ihnen ja gesagt, daß ich heute mit Ihnen reden wollte.«
    Sein Gesicht blieb ohne Regung, er wirkte so starr, daß sie zu zweifeln begann, ob er sie überhaupt verstanden hatte. Er sah sie an, das ja, aber es war auch, als sähe er nicht sie, sondern sähe durch sie hindurch.
    »Herr Ladowsky, können

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